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Eine Sicht auf Mann und Frau im Horizont der Erlösung 

Zur Männlichkeit Christi und zur Weiblichkeit der Kirche. Geschlechtlichkeit ist nicht beliebig. Gott kam als Mann in die Welt, dazu war das Ja einer Frau nötig.
Die neue Eva
Foto: imago stock&people (imago stock&people) | Maria - die neue Eva - zertritt der Schlange den Kopf.

Von den ersten Seiten der Hl. Schrift an, die die ursprüngliche Einheit von Mann und Frau offenbaren (Gen 1,27–28; 2,18–24), bis hin zu den letzten, die die Hochzeit des Lammes verkünden (Offb 21,2,9), werden wir daran gemahnt: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“ (Gen 2,18). Dass eine derartig natürliche Realität dennoch offenbart wird, sollte Anlass für uns sein innezuhalten: nicht nur, weil die natürliche Verschiedenheit, Komplementarität und Einheit der Geschlechter heute unter einem solch heftigen Angriff stehen, sondern auch, weil Gott gerade diese natürliche Realität auserkoren hat, um zu uns über seinen göttlichen Plan für unsere Erlösung zu sprechen. 

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Das einzige Wort

Natürlich soll damit nicht bestritten werden, dass Gott uns in Christus „alles auf einmal in diesem einzigen Wort“ gesagt hat, wie der hl. Johannes vom Kreuz lehrt. Denn kraft der Inkarnation hat sich das Wort Gottes selbst in menschliches Fleisch gekleidet, das nun zum bevorzugten Mittel unserer Unterweisung geworden ist. 

Darüber hinaus ist sein Fleisch nicht geschlechtsneutral – was seine wahre Menschheit infrage stellen könnte –, sondern männlich. Das soteriologische Beharren auf dem vollständigen Menschsein Christi beschwört dennoch das klassisch feministische Bedenken herauf: „Kann ein männlicher Erlöser Frauen erlösen?“ (R. Ruether) Wenn, wie die patristische Tradition bezeugt, das „was nicht angenommen wurde, nicht erlöst ist“ – wie gehen wir dann mit der Erlösung der Frauen um, deren besonderes (weibliches) Fleisch von Christus nicht angenommen wurde?

"Cur Deus homo?"

Über die klassische christologische Frage des hl. Anselm „Cur Deus homo?“: Warum ist Gott Mensch geworden? hinaus sind wir deshalb aufgefordert, die Frage nach dem Mannsein Christi in Erwägung zu ziehen: „Cur Deus vir?“: Warum ist Gott Mann geworden? Diese Frage bringt mehr mit sich als das Problem, warum Gott sich selbst an seine eigene Schöpfungsordnung gebunden hat, sodass er als „erstgeborener Sohn“ (Lk 2,7) „von einer Frau geboren“ (Gal 4,4) wurde. Denn noch grundsätzlicher bedeutet sie, nach der Einheit von Gottes schöpferischen Absichten seit Anbeginn der Zeit unter der Perspektive der „Fülle der Zeit“ zu fragen (Gal 4,4). Denn angesichts der Einheit von Schöpfung und Erlösung ist klar, dass das Mannsein Christi kein nachträglicher Einfall Gottes, sondern „vor Grundlegung der Welt“ (Eph 1,4) vorbereitet war. 

Unter dieser Perspektive sollten wir nicht überrascht sein, dass der hl. Paulus die ursprüngliche Vereinigung von Mann und Frau in „einem Fleisch“ (Gen 2,24) als Hinweis auf das „große Geheimnis“ des Bundes Christi und seiner Kirche darstellt: 

Keiner hat je seinen eigenen Leib gehasst, sondern er nährt und pflegt ihn, wie auch Christus die Kirche. Denn wir sind Glieder seines Leibes. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden und die zwei werden ein Fleisch sein (Gen 2,24). 

 Warum wurde Gott Mann: „Cur Deus vir?“ 

  Dies ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche. Indessen sollt auch ihr, jeder Einzelne, seine Frau lieben wie sich selbst, die Frau aber ehre ihren Mann (Eph 5,29–33). 

Natürlich gilt: „Aber zuerst kommt nicht das Überirdische; zuerst kommt das Irdische, dann das Überirdische“ (1 Kor 15,46). Dennoch legt der Brief an die Epheser nahe, dass die geschöpfliche Verschiedenheit und die ursprüngliche Einheit von Mann und Frau „darum“, nämlich als Zeichen oder Offenbarung der göttlichen Vermählung von Christus mit der Kirche dienen soll. Deshalb deuten die Väter die Erschaffung Evas aus der Rippe Adams als „mystische Vorahnung“ der Geburt der Kirche aus der durchbohrten Seite Christi. Dies wiederum bedeutet nicht nur, dass der zweite Adam vom ersten angekündigt wird (vgl. Gen 3,15), sondern auch, dass sich das Mannsein Christi auf die Kirche, die neue Eva, bezieht. Deshalb nimmt der ewige Sohn Gottes einen geschlechtlichen Leib an, um sich der ganzen Menschheit als der göttliche Bräutigam der Kirche und in der Kirche zu zeigen. Er „kam in diese Welt zu einer Hochzeit“, erläutert der hl. Augustinus in seinem Kommentar zur Hochzeit von Kana, nämlich zu seiner eigenen. 

Zwei Hochzeiten

Michele Schumacher
Foto: Schumacher | Dr. Michele Schumacher ist Privatdozentin am Lehrstuhl für Moraltheologie in Fribourg /CH). 

Somit gibt es „zwei Hochzeiten“, wie der hl. Thomas von Aquin in seinem Kommentar zu den klugen Jungfrauen im Matthäusevangelium erkennt: „die Hochzeit der Gottheit mit dem Fleisch, die im Schoß einer Jungfrau gefeiert wurde“, und „die Hochzeit Christi mit der Kirche“. Auch wenn Marias Aufgabe bei der ersten „Hochzeit“ darauf zurückgeführt wird, dem Fleisch gewordenen Wort ein „Brautgemach“ zur Verfügung zu stellen, deutet der hl. Thomas an anderer Stelle ihr Fiat als für die „ganze Menschheit“ gesprochen. Daher ist es angebracht, dass sie auf der Hochzeit von Kana anwesend ist, „weil man durch ihre Fürsprache mit Christus“, dem „wahren Bräutigam der Seele“, „durch Gnade“ verbunden ist, wie der hl. Thomas in seinem Kommentar dieser Passage hinzufügt. 

Wie diese Kommentare erhellen sollen, wird Maria oftmals als ein Abbild der Kirche, als Braut Christi, dargestellt. Als solche – und dies ist kein unbedeutender Punkt – ist sie nicht einfach eine Wohnstätte für die beständige Gegenwart Christi. 

„Die Kirche selbst ist ja nicht nur 
ein Tabernakel der göttlichen Gegenwart. 
Sie ist weitaus eher ,eine fortgesetzte 
Inkarnation‘ des Wortes.“   

Wenn die Kirche selbst ist ja nicht nur ein Tabernakel der göttlichen Gegenwart. Sie ist weitaus eher „eine fortgesetzte Inkarnation“ des Wortes, um ein Zitat von Charles Journet aufzugreifen. Denn wenn Gott sich in der Inkarnation selbst der Menschheit angleicht, dann tut er dies im Blick auf die Angleichung der gesamten Menschheit an sich selbst. Er nimmt unser Menschsein zur Mitteilung seiner Göttlichkeit an. Somit ist der heilbringende, durch die Inkarnation bewirkte „Austausch“ nicht auf die zwei Naturen Christi im Schoß der Jungfrau beschränkt. Das Menschsein Christi wird vielmehr zum Instrument (organon) seiner Göttlichkeit zur Mitteilung der Göttlichkeit an seine Glieder, wovon – angefangen bei Maria – keines ausgenommen ist. Deshalb – um die Analogie fortzusetzen – und weit über die Bereitstellung eines „Brautgemachs“ für die Hochzeit der göttlichen und menschlichen Natur hinaus, ist Maria selbst das „authentische Subjekt“ der heilbringenden Vereinigung beider in der Menschwerdung, wie Papst Johannes Paul II. bestätigt. 

Auf Gott eingestellt

Da in Wirklichkeit Marias Verstand und Wille auf Gottes Wort in der Schrift und wie von seinem Engel verkündet eingestellt sind, nimmt das Wort (und der Sohn) Gottes selbst in ihrer Seele „wie in seinem eigenen Tempel“ Wohnung – noch bevor er sich tatsächlich mit ihrem Fleisch in ihrem Schoß vermählt. Um ein Wort des hl. Thomas aufzugreifen, ist er in ihr durch Glaube und Liebe in der Weise gegenwärtig wie „der erkannte Gegenstand im Erkennenden, und der Geliebte im Liebenden“. Daher wird Maria nicht in einem passiven Sinn von Gott benutzt. Sie wird nicht zufällig in das Mysterium hineingenommen, sondern begibt sich freiwillig hinein als Mutter Christi und als „Magd“ (Lk 1,38). Sie ist weitaus mehr als ein Hohlraum (hollowed-out space), den Gott auch ohne ihre bereitwillige Mitwirkung besetzen könnte – sie ist ein geheiligtes Wesen (hallowed being): eines, dessen überragende Gnaden von ihrem Geist in „ihr Fleisch überströmten“, wie der Aquinate in seinem Kommentar zum Ave Maria sagt, damit „es geeignet ist für die Empfängnis von Gottes Sohn“.

Maria glaubt und empfängt

Ausstellung - Verkündigung an Maria in modernen Kunstwerken
Foto: David Ebener (dpa) | "Verkündigung" (2003 von Dietrich Stalmann), eine bunt übermalte Schwarzweiß-Fotografie einer Marienfigur.

Sie „empfängt nicht und glaubt, sondern glaubt und empfängt“, wie der hl. Augustinus erläutert. „Mit Glauben hält sie für wahr, mit Glauben empfängt sie.“ Deswegen wird sie in der Kunst im Augenblick von Gabriels heiligem Besuch dargestellt, wie sie über die Heilige Schrift meditiert. Geistesgegenwärtig und aufmerksam auf die Tragweite dessen, was ganz und gar unerklärlich bleibt – von daher ihre Frage: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“ (Lk 1,34) – nimmt die Jungfrau ihren Auftrag auf die menschenmöglichste Weise an. Sie ist weder blind noch unwissend, und sie wirkt in aufmerksamer und auf das Wort Gottes eingestimmter Weise mit der „Fülle der Gnade“ mit (vgl. Lk 1,28), die ihr vom ersten Augenblick ihrer Empfängnis zugeteilt war. 

Da Gottes Eingreifen in die Menschheitsgeschichte immer den freien Willen seiner Geschöpfe achtet, ist Marias Antwort auf die Botschaft des Engels – „mir geschehe“ (Lk 1,38) – für die Verwirklichung der göttlichen Menschwerdung, menschlich gesprochen, „entscheidend“, wie Papst Johannes Paul II. anerkennt. Daher ist Maria „der Typus der Kirche in der Ordnung des Glaubens, der Liebe und der vollkommenen Einheit mit Christus“, wie das II. Vatikanische Konzil lehrt. 

  

"Nach dem Vorbild Marias dieser urbildlichen Gläubigen par excellence,

sollen auch wir eins werden mit Christus: 
durch die bräutliche Gabe unserer selbst."

  

Bemerkenswert ist Christi Hinweis auf sie in den entscheidenden Augenblicken seiner öffentlichen Sendung – zu Beginn seines Wirkens in Kana (Joh 2,4) und auf dem Höhepunkt auf Kalvaria (Joh 19,26–27) – als „Frau“, und nicht als „Mutter“ oder „Maria“. Mit Sicherheit geschieht dies, um ihre – vom hl. Irenäus von Lyon so anschaulich dargestellte – Aufgabe als die Neue Eva neben dem Neuen Adam hervorzuheben: als diejenige, die den Kopf der Schlange durch das „Gewicht“ ihres Kindes zertritt (vgl. Gen 3,15; Offb 12), und deren Zustimmung im Namen der ganzen Menschheit Gott angeboten werden muss, damit – um erneut das Konzil zu zitieren – „auf diese Weise, wie eine Frau zum Tode beigetragen hat, so auch eine Frau zum Leben beitrage“. 

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Maria präfiguriert die Kirche

Auf diese Weise präfiguriert Maria die Kirche und jedes einzelne ihrer Glieder, die nicht nur passiv ihrem Haupt einverleibt sind. Vielmehr: Nach dem Vorbild dieser urbildlich Gläubigen par excellence werden wir ebenfalls wie Christus durch den Akt der Einswerdung mit Ihm: durch die bräutliche Gabe unserer selbst als Antwort auf die Erstlings-Gabe seiner selbst an jeden Einzelnen von uns. Gabe trifft auf Gabe: das heilbringende Wort Gottes, das sich selbst für die Erlösung der Menschheit aufopfert: „Siehe, ich komme, um deinen Willen, Gott, zu tun“ (Hebr 10,7), und die Antwort der Magd: „Mir geschehe, wie du gesagt hast“ (Lk 1,38). Denn „im Herrn gibt es weder die Frau ohne den Mann noch den Mann ohne die Frau. Denn wie die Frau vom Mann stammt, so kommt der Mann durch die Frau zur Welt; alles aber stammt von Gott“ (1 Kor 11,11–12). 


Übersetzt aus dem Englischen von Katrin Krips-Schmidt. 

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