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Die Theologie muss der Kirche vertrauen 

Lehramt und Theologie stehen in einem spannungsgeladenen Verhältnis. Die Autorität der Bischöfe stützt sich auf den Auftrag von Jesus Christus. Das Lehramt gehört zum sakramentalen Amt.
Der Theologe Josef Ratzinger
Foto: Erzbistum (Erzbistum_München_und_Freising) | Der Kölner Kardinal Joseph Frings (r) nahm den jungen Theologieprofessor Joseph Ratzinger als Berater mit zum Konzil nach Rom.

Wer euch hört, der hört mich, und wer euch ablehnt, der lehnt mich ab; wer aber mich ablehnt, der lehnt den ab, der mich gesandt hat“ (Lk 10,16). Mit diesen (wie mit anderen) Worten hat Christus den Aposteln das Amt der Verkündigung anvertraut, das in ihren Nachfolgern – den Bischöfen – fortwirkt. Sie, und nur sie, können sich auf die Autorität Christi berufen, um „im Licht des Heiligen Geistes“ den Gläubigen „die Botschaft zum Glauben und zur Anwendung auf das sittliche Leben“ zu erklären und umgekehrt, die ihnen „drohenden Irrtümer wachsam fern“ zu halten (LG 25). Sie haben „mit der Nachfolge im Bischofsamt „das sichere Charisma der Wahrheit empfangen“ (DV 8). 

Die zentralen Aussagen über Ursprung, Anspruch und Reichweite des den Bischöfen anvertrauten kirchlichen Lehramts hat das II. Vatikanische Konzil, in Übereinstimmung mit der Überlieferung der Kirche, näher entfaltet. Desgleichen finden sich Aussagen über die Aufgabe und Rolle der Theologen. Die konziliaren Vorgaben haben dann ebenso Eingang in das kirchliche Gesetzbuch als das „letzte Dokument des Konzils“ (Johannes Paul II.) gefunden, wie sie in weiteren Dokumenten näher ausgeformt wurden. 

Charakteristikum des Lehramts der Bischöfe ist seine sakramentale Begründung. Die Bischöfe üben es „im Namen Jesu Christi“ aus, worin zugleich seine inhärente Begrenzung liegt: Sie verwalten Vor-Gegebenes, indem sie dem geschriebenen oder überlieferten Wort Gottes dienen, nicht aber etwa über ihm stehen (vgl. DV 10). 

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Bischöfe stützen sich auf die Autorität Jesu Christi

Die Autorität, auf die sich das Lehramt der Bischöfe stützt, ist somit keine eigene, sondern eine übertragene: Ihre Quelle ist Jesus Christus, der den Bischöfen als den von Ihm eingesetzten Hirten der Kirche den Beistand des Heiligen Geistes zugesagt und ihr Wirken mit dem Anspruch auf Verbindlichkeit, in bestimmten Fällen sogar mit dem Charisma der Unfehlbarkeit ausgestattet hat: 

Auf gesamtkirchlicher Ebene übt der Papst als Haupt des Bischofskollegiums das Lehramt aus, entweder alleine oder in Gemeinschaft mit dem gesamten Kollegium. Wird eine Glaubens- und Sittenlehre als verpflichtend erklärt, ist sie aus sich heraus (nicht erst aufgrund der Zustimmung der Kirche) unanfechtbar und von den Gläubigen zu glauben (LG 25; cc. 749, 750 § 1 CIC). „Fest anzukennen und zu halten“ sind auch jene vom universalen Lehramt als endgültig vorgelegten Aussagen, welche zur unversehrten Bewahrung und zur getreuen Darlegung des Glaubensgutes erforderlich sind (c. 750 § 2 CIC). Doch auch unterhalb der Schwelle der Unfehlbarkeit bzw. Endgültigkeit sind die Lehraussagen bindend und verlangen seitens der Gläubigen den Gehorsam des religiösen Verstandes und Willens (c. 752 CIC). 

Bischöfe üben das teilkirchliche Lehramt aus 

II. Vatikanisches Konzil
Foto: Ernst Herb | II. Vatikanisches Konzil Zu Beginn des Gottesdienstes vor der Generalkongregation am 6. Dezember 1962 wird ein Evangeliar feierlich inthronisiert.

In den Teilkirchen ist es die vorrangige Aufgabe der Bischöfe, das Wort Gottes zu hüten, auszulegen und verbindlich zu entscheiden, was ihm entspricht oder nicht. Dieses „teilkirchliche Lehramt“ üben die Bischöfe im Hinblick auf „die ihrer Sorge anvertrauten Gläubigen“ aus, sei es als einzelne, sei es im Kontext der Bischofskonferenzen bzw. des (heute seltenen) Partikularkonzils. Auch diesem Lehramt haben die Gläubigen mit religiösem Gehorsam Folge zu leisten (c. 753 CIC). Träger dieses Lehramtes ist primär der Diözesanbischof (dessen Amt sich dem göttlichen Recht verdankt). Hingegen kommt Aussagen der Bischofskonferenzen (welche rein kirchlichen Rechts ist) nur dann verbindliche Lehrautorität zu, wenn sie einmütig beschlossen worden sind. Mehrheitsbeschlüsse benötigen zu ihrer Verbindlichkeit die Rekognition des Heiligen Stuhls, die nur dann erteilt werden kann (nicht muss!), wenn die Mehrheit wenigstens zwei Drittel der Stimmberechtigten beträgt (Motu proprio „Apostolos suos“ von 1998, Nr. 22). Essentielle Voraussetzung des teilkirchlichen Lehramtes ist, daß es mit dem universalen Lehramt übereinstimmt: Die Ausübung des bischöflichen Dienstes ist „ihrer Natur nach“ an die Wahrung „der hierarchischen Gemeinschaft mit Haupt und Gliedern des (Bischofs-)Kollegiums“ gebunden (LG 21). 

Ist der genuine Ort des Lehramts der Bischöfe die Kathedra in der Bischofskirche, wirkt der Theologe auf dem Lehrstuhl an der Universität. Dementsprechend findet sich schon beim hl. Thomas von Aquin die Unterscheidung zwischen dem „magisterium cathedrae pastoralis“ (Bischöfe) und „magisterium cathedrae magistralis“ (Theologen). 

Lehramt rezipiert Theologie 

Auch zu letzterem äußert sich, ohne aber den Ausdruck „Lehramt“ zu verwenden, das letzte Konzil, wobei das Verhältnis zum bischöflichen Lehramt deutlich wird: So hat im besonderen der Exeget „auf eine tiefere Erfassung und Auslegung des Sinnes der Heiligen Schrift hinzuarbeiten, damit so gleichsam auf Grund wissenschaftlicher Vorarbeit das Urteil der Kirche reift“ (DV 12). Der theologischen Forschung wird aufgegeben, sich „um eine tiefe Erkenntnis der geoffenbarten Wahrheit (zu) bemühen ..., um den ... Menschen zu einem umfassenderen Glaubensverständnis verhelfen zu können“ (GS 62). In der Priesterausbildung sollen die „theologischen Fächer ... im Licht des Glaubens unter Führung des kirchlichen Lehramtes so gelehrt werden, daß die jungen Theologen die katholische Lehre sorgfältig aus der göttlichen Offenbarung schöpfen, tief in sie eindringen, sie für ihr geistliches Leben fruchtbar machen und sie in ihrem künftigen priesterlichen Dienst verkünden, darlegen und verteidigen können“ (OT 16). 

Kirchlichkeit ist für Theologen unabdingbar 

Bei seiner Unterscheidung der beiden „Lehrämter“ hat indes Thomas von Aquin keinen Zweifel daran gelassen, wem allein das Entscheidungsrecht zukommt: dem „officium praelationis“. Das Lehramt des Theologen gründet nicht im Sakrament, sondern in der Sendung der Kirche, der missio canonica. Deren Erteilung setzt nicht allein „wissenschaftliche und pädagogische Eignung“ voraus, sondern auch „Rechtgläubigkeit und untadeliges Leben“ (c. 810 § 1 CIC). Eine Grundhaltung des Theologen muss demnach seine Kirchlichkeit sein, welche die Sendung der Kirche grundsätzlich bejaht und fördert. Speziell dieser Aspekt liegt Papst Franziskus am Herzen, der den Theologen abverlangt, „dass ihnen die missionarische Bestimmung der Kirche und der Theologie am Herzen liegt und sie sich nicht mit einer Schreibtisch-Theologie zufriedengeben“ (Ap. Schreiben „Evangelii gaudium“, Nr. 133). Er, wie schon Papst Benedikt XVI., hat denn auch den Gedanken von einer „knienden Theologie“ (Hans Urs von Balthasar) in Erinnerung gerufen.

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Über die rechte Zuordnung von Lehramt der Bischöfe und der Theologen hat sich die Internationale Theologische Kommission 2011 in der Studie „Theologie heute: Perspektiven, Prinzipien und Kriterien“ näher geäußert. Diese harrt hierzulande wohl immer noch – wie schon die Instruktion der Glaubenskongregation „Donum veritatis“ über die kirchliche Berufung des Theologen von 1990 – der Verbreitung und Rezeption. Die Mahnung der Kommission, Bischöfe wie Theologen hätten ihre jeweiligen Kompetenzen zu respektieren, „damit nicht das Lehramt die theologische Wissenschaft auf reine Wiederholung reduziert, und die Theologie nicht für sich in Anspruch nimmt, das kirchliche Lehramt der Hirten der Kirche zu ersetzen“ (Nr. 37) hat an Aktualität nichts verloren. 

Wie Gelehrsamkeit und Kirchlichkeit vereinbar sind, zeigt das Beispiel von Gottlieb Söhngen, des akademischen Lehrers von Joseph Ratzinger, der sich vehement gegen die Möglichkeit des Dogmas der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel ausgesprochen hatte. Befragt, ob er im Falle der Verkündigung des Dogmas nicht die Kirche verlassen müsse, erwiderte er: „Wenn das Dogma kommt, dann werde ich mich daran erinnern, daß die Kirche weiser ist als ich, und ihr mehr vertrauen als meiner eigenen Gelehrtheit.“ 

Stefan Mückl lehrt Kirchenrecht an der Päpstlichen Universität Santa Croce in Rom. 


Kurz gefasst

Das II. Vatikanische Konzil hat die Lehre über das den Bischöfen anvertraute kirchliche Lehramt und die Aufgabe der Theologen erneut in Übereinstimmung mit der Tradition dargelegt. Dabei ist wesentlich, dass Christus den Aposteln das Amt der Verkündigung anvertraut hat, das im Bischofsamt fortwirkt. Das Lehramt der Bischöfe begründet sich somit sakramental. Dagegen gründet das Lehramt der Theologen durch die Sendung der Kirche. Deren Erteilung setzt neben der wissenschaftlichen und pädagogischen Eignung Rechtgläubigkeit und ein untadeliges Leben voraus. Kirchlichkeit ist die geforderte Grundhaltung des Theologen. 

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