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Die Katze ist aus dem Sack

Ist der Synodale Weg womöglich viel harmloser, als es die Kritiker meinen? Nein. Eine neue Kirche ist das eigentliche Ziel, nicht die Bekämpfung des Missbrauchs.
Synodaler Weg: Brief des Papstes wurde nicht ernst genommen
Foto: Maximilian von Lachner/Synodaler Weg | Die Protagonisten des Synodalen Wegs hatten ausdrücklich ausgeschlossen, das Thema Evangelisierung zum Thema ihres Prozesses zu machen. Also wurde der Brief des Papstes weggelobt und nicht ernst genommen.

Der Synodale Weg befasse sich nicht einfach nur mit „strukturellen“ Fragen, schreibt Erzbischof Samuel J. Aquila von Denver in den Vereinigten Staaten an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing. Nein, der Synodale Weg gehe ans Eingemachte: „Er stellt das Glaubensgut in Frage und lehnt es in einigen Fällen gar ab“, meint Aquila in seinem Brief vom 2. Mai weiter. „Die Dokumente des Synodalen Wegs können nicht anders gelesen werden, als dass sie die ernsthaftesten Fragen aufwerfen über das Wesen und die verbindliche Autorität der göttlichen Offenbarung, über das Wesen und die Wirksamkeit der Sakramente sowie über die Wahrheit der katholischen Lehre hinsichtlich der menschlichen Liebe und Sexualität.“

Der Brief des Papstes wurde nicht ernst genommen

Inzwischen hat der Briefwechsel des deutschen Konferenz-Vorsitzenden mit Vertretern der ganzen Weltkirche einen beträchtlichen Umfang angenommen. Zunächst war da das Schreiben von Papst Franziskus vom 29. Juni 2019, in dem immerhin das Oberhaupt der katholischen Kirche die deutschen Bischöfe dazu aufrief, den „Primat der Evangelisierung zurückzugewinnen“, statt „die Lösungen der derzeitigen und zukünftigen Probleme ausschließlich auf dem Wege der Reform von Strukturen, Organisationen und Verwaltung zu erreichen“.

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Nun hatten aber die Protagonisten des Synodalen Wegs ausdrücklich ausgeschlossen, das Thema Evangelisierung zum Thema ihres Prozesses zu machen. Also wurde der Brief des Papstes weggelobt und nicht ernst genommen. Dann kamen die besorgten Briefe aus Polen – unterschrieben vom dortigen Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof Stanislaw Gadecki – und aus Skandinavien, den alle nordischen Bischöfe unterzeichneten.

Die Antworten von Bätzing waren abwiegelnd und liefen immer auf das Gleiche hinaus: Der sexuelle Missbrauch in der Kirche verlange Antworten, ein „Weiter so“ gehe nicht, man wolle aber keinen deutschen Sonderweg gehen. Schließlich schrieben am 11. April 2022 74 Kardinäle und Bischöfe vor allem aus den Vereinigten Staaten und Afrika, die die Fixierung der Deutschen auf die Machtfrage kritisierten. Bätzing antwortete mit einem Brief an (pars pro toto) Erzbischof Aquila vom 16. April, in dem er beteuerte, dass der Synodale Weg „in keinster Weise die kirchliche Autorität, einschließlich der von Papst Franziskus“ untergraben wolle – wiederum also Beschwichtigungen, denen Aquila dann seinen eingangs zitierten Brief vom 2. Mai folgen ließ.

Hat der Papst nicht verstanden, was der Synodale Weg will?

Es fragt sich also: Haben vielleicht Papst Franziskus und die Bischöfe der Weltkirche nicht verstanden, was der Synodale Weg wirklich will? Ist der womöglich viel harmloser, als es die Kritiker meinen? Nein. Und wer das in wasserfrischer Klarheit deutlich gemacht hat, ist der in Freiburg lehrende Fundamentaltheologe Magnus Striet, der am 25. April auf „katholisch.de“ die Katze aus dem Sack ließ: Bei den kritischen Wortmeldungen sei immer wieder „von einem drohenden Schisma zu hören“, meint Striet, um dann aber gleich in aller Deutlichkeit klarzustellen: „Es gibt das Schisma längst… Die innere Distanz zu dem, was angeblich als verbindlich zu glauben vom Lehramt der römisch-katholischen Kirche vorgegeben wird, ist in vielen katholischen Milieus so ausgeprägt, dass hier auch nichts mehr zu kitten ist.“

Striet, der zu den theologischen Wasserträgern des Synodalen Wegs zu rechnen ist, sagt nur offen, was viele Theologen meinen: Dem kirchlichen Lehramt sei gar kein „Wahrheitsentscheidungsmonopol“ zuzuschreiben, und die Kritiker des Synodalen Wegs seien auf dem Holzweg, weil sie in ihrer gedanklichen Schlichtheit „die hochkomplexe, von Umbrüchen und Transformationen des überkommenen Glaubens gekennzeichnete Geschichte des Christentums, das es immer nur im Plural gegeben hat, nicht kennen“.

Tatsache sei vielmehr, dass es innerkirchlich um die Frage geht, ob die in liberalen Demokratien abgesicherten Selbstbestimmungsrechte auch innerkirchlich praktiziert werden können. Und wenn das Lehramt gegen die Liberalisierung der Geschlechterverhältnisse sei, werde es scheitern. „Eine hierarchische Autorität wird schon lange nicht mehr akzeptiert“ (Striet). Auch sei die Sakramentalität der Kirche, wenn man sie „über eine ungebrochene apostolische Sukzession, durch Handauflegung von Mann zu Mann“ begründe, intellektuell dürftig und historisch nicht einzulösen.

Schisma? Dann ist das eben so

Und wenn ein auf diese Weise sich aufgeklärt dünkender Glaube schismatisch wirke, dann, so meint Striet, sei das eben so. Die Abschaffung der Offenbarung als Quelle der Wahrheit (etwa über die Natur der Geschlechter) und der Lehrautorität der Kirche aufgrund apostolischer Sukzession sind zwar Leitthesen der Mainstream-Theologie von heute. Aber mit dem Theologen Striet gibt nun jemand zu, dass es auch genau darum beim Synodalen Weg geht. Wen wundert es, dass Bätzing und die synodalen Protagonisten zu der Schisma-These aus Freiburg zustimmend schweigen. Denn eine andere, neue Kirche ist das eigentliche Ziel dieses Wegs, nicht die Bekämpfung des Missbrauchs.

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