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Die eine Vollmacht des Herrn 

Die Theorie einer möglichen Trennung von Weihe- und Leitungsvollmacht taucht im Kontext kirchlicher Reformforderungen immer wieder auf. Diese Vorstellung ist keine neue. Doch Leitung in Stellvertretung Jesu Christi ist nur auf der Grundlage empfangener sakramentaler Bevollmächtigung möglich.
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Foto: imago stock&people (imago stock&people) | Erfurt 22.11.14 , Erfurt, Dom, Amtseinführung des neuen Bischofs: die päpstliche Ernennungsurkunde und der Bischofsstab.

In den Bistümern des deutschen Sprachraums sind wir es gewohnt, von „Weihbischöfen“ zu sprechen. Damit sind jene Bischöfe gemeint, die dem Diözesanbischof helfend zur Seite stehen und ihn in seinem bischöflichen Dienst unterstützen. Es mag erstaunen, dass der Begriff beispielsweise in den romanischen Sprachen gänzlich unbekannt ist. Vielmehr ist hier vom „Auxiliarbischof“ die Rede, um die Hilfe (lateinisch: auxilium) zu betonen, die der „Hilfsbischof“ dem Diözesanbischof leistet. 

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Ist das aber nur eine Frage der Sprache? Sicher nicht, denn ein Blick in den historischen Kontext des Begriffs weist zugleich ein damit verbundenes Missverständnis auf. „Weihbischof“-Sein deutet zwar terminologisch an, die Bevollmächtigung zur Vornahme einer sakramentalen Weihe zu besitzen. Aber kommt diese nicht auch dem Diözesanbischof zu, mehr noch, ist er nicht als Bischof einer Diözese geradezu der Erstberufene unter den Bischöfen, der das Sakrament der Weihe spendet? Oder anders gefragt: Kann es einen Diözesanbischof geben, der diese sakramental begründete Vollmacht nicht besäße, also nur im äußeren Bereich der Leitung tätig wäre?

Für unser heutiges Verständnis des Bischofsamtes, wie es das II. Vatikanische Konzil im Einklang mit Schrift und Tradition lehrt, ist das undenkbar. In der Geschichte der Kirche jedoch hat es nicht selten die Versuchung gegeben, die Weihevollmacht von der Leitungsvollmacht zu trennen. Das wohl bekannteste Beispiel stellen die sogenannten „Fürstbischöfe“ dar. Sie regierten im weltlichen und kirchlichen Bereich oft ohne empfangene Bischofsweihe. Die Handlungen im „Bereich des Heiligen“, wie die Feier der Heiligen Messe und die Spendung des Weihesakraments, überließen sie geweihten Bischöfen, eben den „Weihbischöfen“. 

II. Vatikanum bringt Weihe- und Leitungsvollmacht zusammen

Diese Vorstellung mag heute tatsächlich abstrus erscheinen. Doch die damit verbundene Theorie einer möglichen Trennung von Weihe- und Leitungsvollmacht taucht immer wieder auf, auch und gerade im Kontext kirchlicher Reformforderungen. Da ist die Rede davon, dass die Bischöfe „Macht abgeben sollen“, dass „die Macht in der Kirche“ verteilt werden muss oder dass die Leitung der Pfarrei nicht mehr in die Verantwortung eines Pfarrers gehört, sondern von jedem Getauften ausgeübt werden kann. Solche Forderungen lassen aufhorchen, müssen sich aber einer verantwortlichen Prüfung unterziehen, das heißt, sie müssen sich der maßgebenden Lehre des II. Vatikanischen Konzils stellen. 

Das Konzil hat dem weltlich motivierten Trennungsdenken endgültig ein Ende gesetzt und beide Begriffe – Weihe- und Leitungsvollmacht – in das eine Wort von der „heiligen Vollmacht“ (potestas sacra) zusammengeführt (vgl. LG 19-21). Die Potestas bezeichnet die Jesus Christus eigene und von ihm den zwölf Aposteln übertragene göttliche Vollmacht, die sie dazu befähigt, in seinem Namen und in seiner Person wirkmächtig zu handeln und seine Kirche zu leiten (vgl. Mk 3,13-19; Lk 10,16-19; Joh 20,19-23).

Jesus ist Ursprung der Vollmacht

Diese in der ganzen Kirche wirkende apostolische Vollmacht stammt demzufolge nicht aus dem eigenen Tun der Kirche, sondern besitzt einen eigenen Ursprung in Jesus Christus als dem Gesandten des Vaters, der seine Vollmacht den Aposteln direkt und ihren Nachfolgern durch das Weihesakrament vermittelt (Apostolische Sukzession). Die Vollmacht der Apostel, in deren Nachfolge die Bischöfe und die Priester als ihre Mitarbeiter stehen, ist daher Geschenk und Verantwortung in einem. 

Mit dieser Lehre verdeutlicht das Konzil, dass es in der Kirche keine Leitungsvollmacht geben kann, die nicht auf der Weihevollmacht aufruht. Das kirchliche Gesetzbuch übernimmt diese doktrinäre Maßgabe, wenn es in c. 129 § 1 CIC bestimmt, dass zur Übernahme von Leitungsvollmacht nach Maßgabe der Rechtsvorschriften diejenigen befähigt sind, die die heilige Weihe empfangen haben.

Vollmacht bedeutet keine Alleinverantwortung

Ein konkretes Gesicht erhält diese Norm sodann im Leben der Kirche: Ein Pfarrer leitet die Pfarrei, ein Bischof die Diözese, der Papst die Universalkirche. Demgemäß liegt die Vollmacht zur Leitung in ein- und derselben Hand. Der sakramental bevollmächtigte Vorsteher leitet „unipersonal“ die ihm anvertraute Gemeinschaft der Gläubigen in der Vollmacht Jesu Christi. In ihm und seinem sakramental bevollmächtigten Dienst laufen die damit verbundenen Dienste des Lehrens, Heiliges und Leitens zusammen. 

Doch zugleich gilt es, auf zwei entscheidende und unverzichtbare Ergänzungen im Verständnis der „heiligen Vollmacht“ hinzuweisen. Sie verdeutlichen, dass heilige Vollmacht nicht ausschließende Alleinverantwortung bedeutet. Der Bischof als Träger des apostolischen Amtes bedarf der vielfältigen Unterstützung, um seiner Verantwortung entsprechen zu können. Eine solche Unterstützung vollzieht sich in verschiedenen Formen und Weisen. 

Auch der Bischof wird kontrolliert

Da ist zunächst die Stellvertretung. So bestellt der Diözesanbischof für die Verwaltung einen Generalvikar und für spezifische Aufgaben Bischofsvikare, die in seinem Namen und im Zusammenwirken mit den Mitgliedern der entsprechenden Behörde (Generalvikariat) tätig sind. Er beruft für die Rechtsprechung einen Gerichtsvikar (Offizial) und kirchliche Richter, die ihr Amt in seinem Namen ausüben.

Und selbst in der Gesetzgebung, die er als „einziger Gesetzgeber der Diözese“ (vgl. c. 466 CIC) ausübt, stehen ihm entsprechende Experten und Berater zur Vorbereitung und Durchführung entsprechender Gesetzesvorhaben zur Seite. Damit wird deutlich: Die Leitungsvollmacht des Bischofs gründet in seiner ihm mit der Weihe übertragenen Weihevollmacht. Er vergegenwärtigt auf sakramentale Weise Christus als das Haupt der Kirche, wird darin mittels stellvertretender Ämter unterstützt, zugleich aber auch kontrolliert. 

Beratender Beistand

Neben der Stellvertretung vollzieht sich die Unterstützung besonders in Formen der Mitwirkung, die in Taufe und Firmung gründet. Gemäß c. 129 § 2 CIC vermögen Laien bei der Ausübung der Leitungsvollmacht nach Maßgabe des Rechts mitzuwirken. Neben der Verwirklichung der eigenen Berufung als Getaufte in den Alltäglichkeiten christlicher Existenz kann und soll es zu einer darüber hinaus gehenden Mitwirkung an Vollzügen kirchlicher Sendung kommen. 

Spezifischer Ausweis dieser Mitwirkung ist vor allem die Form der Beratung, die sich in vielfacher Hinsicht vollzieht: theologisch, geistlich, verantwortlich. Zu nennen sind hier exemplarisch jene Räte, die auf pfarrlicher und diözesaner Ebene wesentlich das Leben der kirchlichen Sendung mitttragen. Aber auch andere institutionalisierte Formen der Beratung wie die der Diözesansynode vermögen die gemeinsame, wenngleich zu unterscheidende Verantwortung am Auftrag der Kirche sichtbar zu machen. 

Kirche als SEINE Kirche auf dem Spiel

Das II. Vatikanische Konzil hat das Verhältnis von Weihe- und Leitungsvollmacht nachhaltig bestimmt und es auf den einen Ursprung in Jesus Christus zurückgeführt. Leitung in seiner Person ist nur auf der Grundlage empfangener sakramentaler Bevollmächtigung möglich. Es ist das Verdienst des Konzils, sich nicht in äußere Vorstellungen von „Macht“ verirrt, sondern die innere geistliche Dimension der eigentlichen Vollmacht in der Kirche zum Strahlen gebracht zu haben. Ein Zurückfallen in Denkmuster, die dieser Maßgabe widersprechen, wäre nicht nur bedauerlich. Es verbietet sich geradezu. Denn damit stünde die Kirche als SEINE Kirche auf dem Spiel. 

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