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Bischof per Laienwahl?

Verschiebung der Macht. Zwecks „Änderung klerikaler Machtstrukturen“ möchte der Synodale Weg die Bestellung der Diözesanbischöfe reformieren. Laien sollen ihren Hirten mit auswählen.
Wie wird jemand zum Apostelnachfolger?
Foto: Axel Heimken (dpa) | Wie wird jemand zum Apostelnachfolger?

Anfang Februar 2022 hat die dritte Synodalversammlung des Synodalen Wegs in zweiter Lesung drei als „Reformbeschlüsse“ ausgeflaggte Texte „verabschiedet“. Einer davon ist der Handlungstext „Einbeziehung der Gläubigen in die Bestellung des Diözesanbischofs“, der aus einer Vorlage des Synodalforums I („Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“) hervorging. Zu einer der Prämissen der gesamten Veranstaltung rechnet das Auffinden von „Wegen zum Machtabbau in der Kirche“, da „das Vertrauen der Menschen ... durch klerikalen Machtmissbrauch verraten worden“ sei. Auch in dieser Annahme folgt der Synodale Weg der MHG-Studie von 2018, einer von Psychologen, Psychiatern, Gerontologen und Kriminologen erstellten Expertise zum sexuellen Missbrauch an Minderjährigen, welche als eine Schlussfolgerung eine „Änderung klerikaler Machtstrukturen“ angemahnt hatte.

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Klerikaler Machtmissbrauch

In den Verdacht „klerikalen Machtmissbrauchs“ ist nun auch das Verfahren bei der Bestellung der Diözesanbischöfe geraten. Mit knapper Begründung macht die Vorlage einen „Reformbedarf“ geltend, der darin bestehe, es sei „ekklesiologisch sinnvoll“, „das „gesamte Gottesvolk der Diözese ... in die Bischofsbestellung einzubinden“, wohingegen das Kirchenrecht diesem „diözesanen Gottesvolk nur eine sehr begrenzte Mitwirkung“ zugestehe. Abhilfe schaffen sollen nach der Synodalversammlung zwei Mechanismen der „Einbindung“: Ein „Mitentscheidungsrecht“ bei der Erstellung der Liste geeigneter Kandidaten für den vakanten Bischofsstuhl sowie ein „Anhörungsrecht“ gegenüber dem Domkapitel, bevor dieses aus der vom Heiligen Stuhl übermittelten Dreier-Liste („Terna“) den Bischof wählt. Realisiert werden sollen diese „Mitbestimmungsrechte“ durch eine „freiwillige Selbstbindung des jeweiligen Domkapitels“.

Bevor das Postulat in den Einzelheiten dargestellt und gewürdigt werden kann, bedarf es der Vergewisserung, wie gegenwärtig die Besetzung der Bischofsstühle erfolgt. Dabei ist, wie fast immer im Kirchenrecht, ein Blick auf die historische Entwicklung hilfreich: Heute nennt das Kirchenrecht zwei Modalitäten der Berufung von Bischöfen: die freie Ernennung durch den Papst und die Bestätigung einer rechtmäßig erfolgten Wahl (c. 377 § 1 CIC). Allerdings besteht zwischen beiden Modalitäten ein faktisches Regel-Ausnahme-Verhältnis: Von den knapp 3 000 Diözesen der katholischen Kirche wählt in exakt 24 Fällen das jeweilige Domkapitel den Bischof – in den 20 außerbayerischen deutschen Diözesen, in der Erzdiözese Salzburg und in den Diözesen Basel, St. Gallen und Chur. Das Wahlrecht der Domkapitel war im Hochmittelalter zunächst Instrument der Päpste, Bischofsinvestituren durch weltliche Autoritäten zu verhindern.

Ernennung durch den Papst

Ab dem Spätmittelalter beanspruchten dann die Päpste selbst das Besetzungsrecht, gestanden aber für das Heilige Römische Reich im Wiener Konkordat von 1448 den Fortbestand des Wahlrechts der Domkapitel als Privileg zu. Nach dem Ende der Reichskirche mit der Säkularisation 1803 blieb in den protestantischen Territorien das Wahlrecht erhalten, während im katholischen Bayern dem König das Recht der Nomination zukam. Als 1918 die Monarchie endete, kehrte das noch heute geltende Konkordat von 1924 zum universalkirchlichen Regelfall der freien Ernennung durch den Papst zurück. In den übrigen deutschen Diözesen blieb, nun durch Konkordate abgesichert, das seit dem 15. Jahrhundert bestehende Privileg weiter in Geltung.

In dem einen wie dem anderen Fall wird die Ernennung eines Bischofs durch den Apostolischen Nuntius im sogenannten Informativprozess vorbereitet. Nach dem universalen Kirchenrecht hat er die anderen Bischöfe der Kirchenprovinz sowie den Vorsitzenden der Bischofskonferenzen zu befragen, ebenso die Mitglieder des Domkapitels, andere Welt- und Ordenspriester sowie Laien (c. 377 § 3 CIC). In der Praxis geschieht dies seit langem in erheblichem Umfang.

Alles unter päpstlichem Geheimnis

Eine Erweiterung der Beteiligung sehen die in Deutschland geltenden Konkordate vor: Nach dem Preußenkonkordat hat nicht nur das Domkapitel der vakanten Diözese eine Liste geeigneter Kandidaten vorzulegen, sondern gleichfalls jeder andere Bischof aus dem Geltungsbereich des Konkordats. In Bayern erstellt zum einen im Falle der Vakanz einer Diözese das betreffende Domkapitel eine entsprechende Liste, darüber hinaus alle drei Jahre jeder andere der bayerischen Bischöfe und jedes andere der bayerischen Domkapitel. Sämtliche Vorgänge um die Ernennung von Bischöfen, also einschließlich Informativprozess und Erstellung der Listen, untersteht dem Päpstlichen Geheimnis, dessen Verletzung sowohl ein kanonisches Delikt als auch eine schwere Sünde darstellt (Instruktion „Secreta continere“ von 1974).

Was besagt nun der „Reformbeschluss“ der Synodalversammlung? Ihrer Vorstellung nach soll in jeder Diözese ein (noch zu bildender) „Synodaler Rat“ ein besonderes Gremium (selbstredend geschlechter- und generationengerecht) wählen, welches ebenso viele Mitglieder hat wie das betreffende Domkapitel und „dieses bei der Wahrnehmung seiner Rechte im Prozess der Bischofsbestellung unterstützt“. „Gemeinsam mit dem Domkapitel“ soll dieses Gremium die Liste geeigneter Kandidaten festlegen, welche dem Heiligen Stuhl übermittelt wird. In den Diözesen, in denen das Preußische oder das Badische Konkordat gilt, soll das Domkapitel das Gremium anhören, bevor es nach Erhalt der Terna des Heiligen Stuhls zur Wahl schreitet. Diesem soll das Recht zustehen, dem Domkapitel „mehrheitlich eine Wahlempfehlung zu geben“.

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Das Domkapitel darf die Terna nicht weitergeben

Wie auch in kircheneigenen Medien zu lesen ist, gab es bei den Frankfurter Beratungen „Unsicherheit in diversen Detailfragen“ – trotzdem wurde die Vertagung auf eine dritte Lesung abgelehnt. Mehr noch: Der in der Vorbereitung der Beratung und Abstimmung herangezogene Professor des Kirchenrechts verwahrte sich bereits am 7. Februar 2022 in einem Brief an die Vorsitzenden von DBK und ZdK gegen eine verkürzte Wiedergabe seiner Rechtsauffassung, obwohl er diese „auch im Vorfeld deutlich gemacht“ habe. Auch wenn der „Reformbeschluss“ versichert, dass für die Mitglieder des „mitbestimmenden Gremiums“ die „gleichen Geheimhaltungsvorschriften“ gelten sollten wie für das Domkapitel selbst, errichtet das Päpstliche Geheimnis – worauf auch der erwähnte Professor hinwies – eine nicht zu überwindende Hürde: Das Domkapitel darf schlichtweg die Namen der ihm auf der Terna des Heiligen Stuhl unterbreiteten Kandidaten nicht weitergeben.

Geschähe es doch, stünde die Legitimität der Bischofswahl auf dem Spiel. Denn der Heilige Stuhl könnte sich mit guten Gründen auf den Standpunkt stellen, dass das Domkapitel sein Wahlrecht verwirkt hat (was schon nach geltendem Recht geschieht, wenn innerhalb von drei Monaten eine Wahl nicht zustande kommt) und zur freien Ernennung des Bischofs schreiten.
Und die Mitglieder des Domkapitels träfen die oben erwähnten Konsequenzen – die Missachtung des Päpstlichen Geheimnisses ignoriert nicht etwa „nur eine Formalie“, sondern bricht das Recht. Wie die Psalmen deutlich machen, liegt darin nicht allein ein rechtliches, sondern mehr noch ein moralisches Problem.

Dass ein Domkapitel in Vorbereitung der Erstellung der Kandidatenliste Anregungen und Vorschläge aus der Diözese würdigt, einbezieht und gegebenenfalls übernimmt, ist für sich genommen nicht problematisch. Dies könnte gewiss strukturierter erfolgen als bisher, denkbar wären dabei transparente Mindeststandards, welche Personen und Gruppen im Bistum in jedem Fall zu befragen sind.

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Es geht nicht um Macht

Die Bildung eines institutionalisierten Gremiums aber, das „gemeinsam mit dem Domkapitel“ – also wohl im Wege der Mehrheitsentscheidung – die Liste „festlegen“ soll, ist mit dem geltenden Recht schlicht unvereinbar und kann auch nicht durch eine „freiwillige Selbstbindung“ überspielt werden. Einziger Akteur ist nach der klaren Regelung sämtlicher Konkordate das Domkapitel.


Ein Letztes: Besagtes Gremium soll, ersichtlich aus Gründen gleicher „Augenhöhe“, gleich viele Mitglieder zählen wie das betreffende Domkapitel. In der Realität würden dies zwischen 6 und 16 Personen sein. Soll so die „Einbindung“ des „gesamten Gottesvolkes der Diözese“ aussehen, die der Synodale Weg zum Abbau „klerikaler Machtstrukturen“ verheißt? Greift es aber nicht zu kurz, sich an der Kategorie von „Macht“ abzuarbeiten, indem man sie, folgt man der Synodalversammlung, nun einfach umverteilt? Müsste man nicht ihre theologische Grundlage in den Blick nehmen, die geistliche Voll-Macht? Wie ist sie, vom Herrn den Aposteln übertragen, in der Kirche auszuüben?

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