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Ämter für alle

Die Reformer des Synodalen Weges drängen auf die Teilhabe aller am sakramentalen Amt. Doch die angeführten Gründe haben mit dem Evangelium nichts zu tun. Schlimmer noch: Solche Forderungen verhindern, das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen als Berufung und Herausforderung neu zu entdecken.
Demonstration kirchlicher Mitarbeiter
Foto: KNA | Es stimmt ja, was die Demonstrantin auf ihre Mitra geschrieben hat. Aber die Verwendung einer Bischofsmitra zeigt, dass es da doch ein großes Missverständnis gibt.

Dienste und Ämter in der Kirche sollen grundsätzlich allen zur Kirche Gehörigen offen stehen. Die theologische Basis für die Zulassung sei das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen. Darauf beruht, kurz gefasst, die „Erwartung“ an „echte Reformen“, die von zwei der vier Foren des Synodalen Wegs mit Nachdruck vertreten wird. Das Arbeitspapier zu Forum I „Macht und Teilhabe in der Kirche“ formuliert explizit als Ziel der kirchlichen Erneuerung die „gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag“. Konkretisiert wird die Reformerwartung in Forum III „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“ als Forderung nach „Teilhabe (auch) von Frauen am sakramentalen Dienstamt“.

Ein erheblicher Teil der angeführten Gründe hat jedoch mit dem Evangelium und der kirchlichen Überlieferung nichts zu tun. Den Reformern geht es um „Chancengleichheit“ und den Abbau von „Benachteiligung in Arbeitsverhältnissen“, die außerhalb der Kirche eine Selbstverständlichkeit sind. Und da tiefgreifende Veränderungen kirchlicher Strukturen begründungspflichtig sind, wird einleitend klargestellt, dass Reformskeptiker mit der Berufung auf die lehramtliche Autorität in diesen Fragen „heute nur dann Aussicht auf Verständnis haben, wenn die Gründe für eine Entscheidung einsichtig sind“.

„So wird aus der Berufung zum gemeinsamen Priestertum
aller Gläubigen auf dem Umweg über gesellschaftliche Erwartungen
an die Kirche der Ruf nach dem sakramentalen Priestertum für alle“

Was einsichtige theologische Gründe sind, muss sich an den „Lebens- und Existenzverhältnissen der Menschen von heute“ und den „gesellschaftlichen Erwartungen“ bewähren. Sie legen fest, „was viele Katholikinnen und Katholiken auch von ihrer Kirche erwarten“. Erwartet wird die Übernahme der „Standards einer pluralen Gesellschaft“, allen voran die „Geschlechtergerechtigkeit“ als „Querschnittsaufgabe“, weil „nur in der geschlechtergerechten Gemeinschaft von getauften Frauen und Männern Kirche im eigentlichen Sinn“ sein kann. Eine „Reform solcher Strukturen ist ein zutiefst geistlicher Prozess“ (Bischof Feige).

So wird aus der Berufung zum gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen auf dem Umweg über gesellschaftliche Erwartungen an die Kirche der Ruf nach dem sakramentalen Priestertum für alle. Wer da theologisch nicht mitkommt, der soll darauf vertrauen, dass in den Beratungen und Beschlüssen des Synodalen Wegs der Geist Gottes am Werk ist, der seine Kirche vom „Zeitgeist vergangener Jahrhunderte“ (Bischof Feige) befreien will und uns „auch mit Lösungen überraschen kann, die wir jetzt noch nicht erahnen“ (Bischof Genn), sodass wir endlich „im Heute glauben“ können (vgl. den Abschlussbericht zum „Überdiözesanen Gesprächsprozess“ 2011–15).

Unvereinbar mit den Aussagen des Konzils

Bei den im Synodalen Weg verinnerlichten Erwartungen, die von außen herangetragen scheinen, geht es offenkundig vor allem um den herausgehobenen Status der Amtsträger. Dieser soll zwar mitursächlich für die Krise der Kirche sein – Stichwort „Missbrauch der Macht“ – und scheint doch nicht zuletzt wegen der nachkonziliar gewachsenen Gestaltungsmacht des Klerus so attraktiv zu sein, dass Katholische Frauenverbände einen „gleichberechtigten“ Zugang zum sakramentalen Priestertum fordern.

Der Status der Gläubigen – das durch Taufe und Firmung verliehene königliche Priestertum – bleibt dagegen auffällig unbestimmt, sowohl im Blick auf den Berufungscharakter wie auf die damit übertragene Verantwortung zur Weitergabe des Glaubens. Das immer wieder einmal erwähnte neutestamentliche Priestertum der Laien kommt einzig als Anspruchsvoraussetzung für das Weihepriestertum in den Blick, um „Chancengleichheit“ zu fordern und „Benachteiligungen“ abzubauen. Eine solche Anpassung der Berufung zum Priestertum an die egalitäre Logik gesellschaftlicher Partizipation ist unvereinbar mit den Aussagen des Konzils. Wenn Papst Franziskus mehrfach vor einer „Klerikalisierung der Laien“ gewarnt hat, dann aus keinem anderen Grund, als das vom Konzil bekräftigte gemeinsame Priestertum aller Gläubigen in der gegenwärtigen Situation in Erinnerung zu rufen.

Man sollte darum einmal zur Kenntnis nehmen, was das Konzil in der dogmatischen Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“ (LG) und im Priesterdekret „Presbyterium ordinis“ (PO) über die Laien sagt. Das Erste und Grundlegende ist die Berufung zum Priestertum. Alle Getauften sind „zu einem heiligen Priestertum geweiht“, „einem auserwählten Geschlecht, einem königlichen Priestertum“ (LG II, 9 nach 1 Petr 2, 9–10). „Schon in der Taufweihe“ haben „alle Christen Zeichen und Geschenk der so hohen gnadenhaften Berufung zur Vollkommenheit empfangen“ (PO III,12).

Das Glaubenszeugnis der Laien ist gefragt

Das zweite ist die damit verbundene Sendung. Alle Getauften sollen „in allen Werken eines christlichen Menschen geistige Opfer darbringen und die Machttaten dessen verkünden, der sie aus der Finsternis in sein wunderbares Licht berufen hat“ (LG II,10). Und drittens nehmen alle Gläubigen an dieser gemeinsamen Sendung teil, aber „jeder auf seine Art“: der geweihte Amtspriester, indem er „in der Person Christi das eucharistische Opfer“ vollzieht und „im Namen des ganzen Volkes Gottes“ darbringt (LG II,11), der Laie, indem er „vor der Welt Zeuge der Auferstehung und des Lebens Jesu“ und „ein Zeichen des lebendigen Gottes“ (LG IV,38) ist. Viertens schließlich sind beide Weisen der Sendung einander „zugeordnet“ (LG II, 10): „Durch den Dienst der Priester vollendet sich das geistige Opfer der Gläubigen in Einheit mit dem Opfer des einzigen Mittlers Christus“ (PO I, 2).

Die erstaunliche Ignoranz gegenüber solchen Aussagen des Konzils scheint auch damit zusammenzuhängen, dass grundlegende Verstehensvoraussetzungen für die Berufung zum Priestertum offenkundig nicht mehr realisiert sind. Schon das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen transzendiert „Arbeitsverhältnisse“. Es ist eine Berufung und kein Beruf, und darum kein einklagbarer Rechtsanspruch des Menschen gegenüber Gott und seiner Kirche. „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt“ (Joh 15, 16). Ferner, wenn es der ewige Vater ist, der ruft, „weil es ihm gefallen hat, in Christus alles zu erneuern“ (LG I, 3), dann ist das Priestertum in seinen beiden Formen keine Setzung der Kirche und darum unveränderbar.

Es hängt allein am Heilswillen Gottes und nicht an veränderlichen Zulassungsbedingungen und gesellschaftlichen Erwartungen. Schließlich sind alle Ereignisse, die Gott „nach dem völlig freien, verborgenen Ratschluss seiner Weisheit und Güte“ (LG I, 2) wirkt, angefangen von der Erschaffung der Welt über die Menschwerdung seines Sohnes bis hin zur Teilhabe des Menschen am göttlichen Leben, für die menschliche Vernunft kontingent. Ereignisse können als wahr und wirklich hingenommen, geglaubt und bezeugt werden. Doch als kontingente Tatsachen im Unterschied zu bloßen Vernunftwahrheiten können Ereignisse niemals als notwendig wahr erwiesen werden. Hinter den durch sein göttliches Wort in Jesus Christus geoffenbarten Heilswillen gibt es keinen Weg zurück zu notwendigen Gründen, auch nicht mit Bezug auf das Priestertum. Wer dafür zwingende Gründe fordert, hat entweder nicht verstanden, was er da verlangt, oder aber er nimmt die Unbeweisbarkeit zum Vorwand, um eigene Vorstellungen durchzusetzen.

„Wie sollen junge Menschen durch das Theologiestudium
befähigt werden, Zeugen des Glaubens für unsere Zeit zu sein,
wenn es dazu führt, dass ,eine nicht geringe Zahl
von gutwillig Beginnenden den Glauben verliert'?“

Wenn heute aus naheliegenden Gründen viel von Schuld und Versagen mancher Priester und Bischöfe die Rede ist, dann sollte man auch selbstkritisch fragen, wie es um das Glaubenszeugnis der zum gemeinsamen Priestertum berufenen Laien bestellt ist. Auch hier gibt es ein Versagen, das allerdings durch ein Leitungsversagen der Kirche begünstigt ist. Wie steht es zum Beispiel um das Glaubenszeugnis von Religionslehrern, wenn in der Information eines kirchlichen Bildungsträgers dazu geraten wird, den persönlichen Entschluss, im Namen der Kirche zu lehren, „auf der Grundlage nüchterner und realitätsbezogener Vorüberlegungen“ zu treffen, und zu dieser nüchternen Selbstprüfung die Frage gehören soll, ob ich „von meinem Bischof die Missio canonica guten Gewissens entgegennehmen und Schülern mit Überzeugung als Vertreter der Katholischen Kirche begegnen“ kann? Die Antwort wird gleich mitgeliefert im Beschlusstext der Würzburger Synode zum „Religionsunterricht in der Schule“ (1974). Darin wird der Lehrer beschrieben als Person, die „eine Glaubensposition für sich verbindlich gemacht hat“, und dessen Bindung an die Kirche es „erfordert, gleichzeitig ein waches Bewusstsein für Fehler und Schwächen sowie die Bereitschaft zu Veränderungen und Reformen“ zu haben, zumal die geforderte Bindung „nicht eine Verpflichtung auf ein verklärtes, theologisch überhöhtes Idealbild der Kirche beinhalten“ kann. Glaubwürdig für die Wahrheit des überlieferten Glaubens einzutreten wird so reduziert auf die Glaubwürdigkeit persönlicher Überzeugungen von diesem Glauben.

Wer diesem Rat folgt, mag ein gutes Gewissen haben, aber kann er auch ein glaubwürdiger Zeuge – nicht von sich selbst, sondern vom Glauben der Kirche sein? Dieselbe Frage stellt sich im Blick auf eine in weiten Teilen glaubensferne akademische Theologie. Wie sollen junge Menschen durch das Theologiestudium befähigt werden, Zeugen des Glaubens für unsere Zeit zu sein, wenn es dazu führt, dass „eine nicht geringe Zahl von gutwillig Beginnenden den Glauben verliert“? (J. Ratzinger an J. Pieper, 6.6.1969).

Die missionarische Herausforderung ernst nehmen

Statt Ballast abzuwerfen in der Meinung, gesellschaftlich glaubwürdiger zu sein, sollten wir das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen als missionarische Herausforderung endlich ernst nehmen. Das Zeugnis des christlichen Lebens in einem säkularen Umfeld und ohne gesellschaftliche Gratifikation verlangt insbesondere von Männern nicht weniger Mut und Standfestigkeit, als heute auch vom geweihten Priester gefordert ist. Frauen ist die Kirche schon wegen der mancherorts noch lebendigen Beziehung zur kindlichen Lebenswelt näher, Männern dagegen ist sie vielfach fremd geworden, weil in ihrer Welt der seit langem angezweifelte Wirklichkeitsbezug des Glaubens nicht durch sekundäre Motive zu kompensieren ist.

Berufen zu sein, vor der Welt Zeugnis zu geben, muss wieder eine echte Herausforderung sein für Männer und Frauen. Ohne missionarische Dimension wird der Glaube entleert und irrelevant, weil um seinen lebenswichtigen Ernst gebracht. Dringlicher als strukturelle Veränderungen ist darum die persönliche Umkehr. Wer sich vor Gott eingesteht, dass er sich selbst und anderen in seiner Sehnsucht nach Leben oft genug im Wege steht, für den gewinnt der Glaube an die Erlösung durch Jesus Christus und das verheißene neue Leben so viel Realität, dass er seine Freude darüber anderen mitteilen will.

Berthold Wald war bis zu seiner Emeritierung Professor für Systematische Philosophie an der Theologischen Fakultät Paderborn. Er war zudem Gründer und Leiter der Josef Pieper Arbeitsstelle an der Theologischen Fakultät Paderborn, die in privater Verantwortung weiterbesteht.

Kurz gefasst
Dienste und Ämter in der Kirche sollen allen zur Kirche Gehörigen offen stehen. Die theologische Basis für die Zulassung sei das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen, so lauten Reformforderungen im Zuge des Synodalen Weges. Ein erheblicher Teil der dafür angeführten Gründe hat mit dem Evangelium und der kirchlichen Überlieferung nichts zu tun. Der Status der Gläubigen – das durch Taufe und Firmung verliehene königliche Priestertum – bleibt auffällig unbestimmt. Das allgemeine Priestertum der Laien kommt einzig als Anspruchsvoraussetzung für das Weihepriestertum in den Blick. Eine solche Anpassung der Berufung zum Priestertum an die egalitäre Logik gesellschaftlicher Partizipation ist unvereinbar mit den Aussagen des Konzils. Es ist höchste Zeit, das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen als missionarische Herausforderung ernst zu nehmen.

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