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„Wir sind geistige Heimat“: 70 Jahre BKU

Der Bund Katholischer Unternehmer wurde vor 70 Jahren gegründet. Er ist genauso alt wie die Bundesrepublik. BKU-Vorsitzender Ulrich Hemel blickt im Interview zurück und nach vorn
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Foto: dpa | Ulrich Hemel ist seit 2017 Vorsitzender des BKU. Der Theologe und Wirtschaftswissenschaftler ist Gründer und Vorsitzender des Instituts für Sozialstrategie.

Herr Professor Hemel, der Bund Katholischer Unternehmer ist genauso alt wie die Bundesrepublik. Wie hat Ihr Verband Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft ausgeübt?

Die Gründungsgeschichte der Bundesrepublik spielt im katholischen Rheinland. Und genau dort, nämlich in Königswinter, ist auch der BKU gegründet worden. Gerade in dieser Zeit gab es eine enge Bindung zwischen dem Verband und Persönlichkeiten aus der Politik und der Wirtschaft. Diese Zusammenarbeit gibt es aber auch heute noch. Auch wenn jetzt die Regierung in Berlin sitzt und das weniger katholisch geprägt ist als früher Bonn. Es ist insgesamt schwieriger geworden, mit katholischer Perspektive auf unsere Themen in die Öffentlichkeit zu kommen.

Man spricht ja auch vom Rheinischen Kapitalismus in der Bundesrepublik für die Zeit bis zur Wiedervereinigung.

Dieser Begriff Rheinischer Kapitalismus bezeichnet zwar ein tatsächliches Phänomen, ist aber meiner Meinung nach eine Engführung. Heute muss es vor allem auch um die internationale Perspektive gehen. Insgesamt gilt: Wir müssen die Soziale Marktwirtschaft wirklich ernst nehmen und wieder neu entdecken.

Neu entdecken? Sollte uns die Soziale Marktwirtschaft nach 70 Jahren nicht eigentlich sehr vertraut sein?

Sehen Sie: Oft wird sie in der Diskussion einfach mit Kapitalismus gleichgesetzt. Andere vergessen, dass auch in der Sozialen Marktwirtschaft gilt: Güter, die später verteilt werden sollen, müssen vorher erst einmal erwirtschaftet werden. Es geht in dieser Wirtschaftsordnung immer um ein Gleichgewicht zwischen Wettbewerb und sozialen Standards. Und dieses Verhältnis muss ständig neu ausgehandelt werden. Wir befinden uns also immer in einem Prozess. Das ist aber auch gut so. So ist etwa in der letzten Zeit als drittes Prinzip auch noch die Nachhaltigkeit hinzugekommen. Wir stehen heute vor der großen Herausforderung, die Soziale Marktwirtschaft im Sinne christlicher Ethik global umzusetzen. Und dabei muss man natürlich auch ein Phänomen wie den Klimawandel berücksichtigen.

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Wirtschafts- und Unternehmerverbände gibt es viele. Was hebt den BKU von denen ab? Wo spiegelt sich im Verbandsleben das Katholische besonders wider?

Wir führen Seminare und Tagungen durch, dort bekommen unsere rund 1 000 Mitglieder Impulse, wie sie als Katholiken auf neue wirtschaftliche Entwicklungen reagieren können. Wir haben aber auch zu speziellen Themen Arbeitskreise gebildet. Und dann bestehen natürlich unsere 34 Diözesangruppen, die sich regelmäßig treffen. Schließlich melden wir uns auch zu aktuellen Fragen zu Wort.

Welche Themenfelder sind Ihnen da besonders wichtig?

Wir fordern zum Beispiel eine Entlastung von Familien bei der Rente. Wir treten für eine Beitragsermäßigung beim Arbeitnehmerbeitrag der Eltern von zwei Prozent je Kind ein. Wir sind uns sicher: So eine unmittelbare Entlastung hilft Familien besser und macht sich positiv in der Geldbörse bemerkbar als die Erwartung, in 30 Jahren etwas mehr Rente zu erhalten. Für Beitragszahler mit einem Kind läge dann der Sozialversicherungsanteil bei 7,3 Prozent statt bei 9,3 Prozent, bei zwei Kindern bei 5,3 Prozent statt 9,3 Prozent, bei drei Kindern dann sogar schon bei 3,3 Prozent statt 9,3 Prozent. So ein Ansatz ist aus unserer Sicht gerecht, weil geborene Kinder später einmal als Erwachsene ja selbst Beiträge zum Gemeinwesen leisten werden.

Und welche Bedeutung kommt der Spiritualität zu?

Spiritualität ist sehr wichtig für unsere Mitglieder. Wir geben ein Gebetbuch für Manager heraus und bieten auch regelmäßig Einkehrtage an. Das Zusammentreffen mit Gleichgesinnten und die gemeinsame Suche nach geistiger Orientierung ist meinem Eindruck nach für die Mitglieder sehr wichtig. Wir bieten eine geistige Heimat. Das beweist für mich auch, dass, anders als manche behaupten, katholische Verbände sehr wohl auch heute noch ihren Zweck haben.

 

Hintergrund: 70 Jahre BKU

Dass der BKU ein besonderer Unternehmerverband ist, zeigt sich schon an seiner Gründung. Das Haus, in dem in Königswinter die erste Versammlung stattfand, war nach einem Gewerkschafter benannt (dem Christlichen Gewerkschaftsführer und späteren CSU-Mitbegründer Adam Stegerwald) und Pate des ganzen Unternehmens war kein Geringerer als der Kölner Erzbischof, Joseph Kardinal Frings. Der Geistliche Berater der jungen Vereinigung wurde der spätere Nachfolger von Frings, Joseph Höffner. Dessen geistige Prägung ist bis heute spürbar. Er steht aber auch mit dem ersten Geschäftsführer des BKU, Wilfried Schreiber, dafür, wie direkt damals der Einfluss auf die Politik der Bundesregierung war. Schreibers Plan bildete die Grundlage für die Rentenreform 1955 und auch Höffner zählte zu den Beratern Adenauers. Nicht zuletzt auch wegen dieses Erbes ist der Verband so etwas wie der Gralshüter einer Sozialen Marktwirtschaft, die darum weiß, dass die Katholische Soziallehre eine ihrer Kraftquellen ist.

Der BKU ist auch Mitgründer des Kardinal-Höffner-Kreises, dem neben Unternehmern und Publizisten auch christdemokratische Bundestagsabgeordnete angehören. Heute zählen zum BKU über 1 000 Mitglieder, organisiert ist er in 34 Diözesangruppen. 1981 hatte die Deutsche Bischofskonferenz den Verband aufgefordert, er möge sich in den Diözesen engagieren. Auch damit dort engagierte Unternehmerpersönlichkeiten ihr Fachwissen in die Diözesanräte besser einbringen könnten.

Seit Oktober 2017 ist Ulrich Hemel Vorsitzender des BKU. Am kommenden Samstag findet die Festveranstaltung verbunden mit der mehrtägigen Bundestagung zum Jubiläum im Katholisch-Sozialen Institut in Siegburg statt. Das Motto des Wochenendes lautet: „Soziale Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert – international, digital und ethisch“. Die Eucharistiefeier wird der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck zelebrieren. sesa

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