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Hans Günther Ullrich: Priester und ehemaliger Manager

Christliche Köpfe in der Wirtschaft – Teil 1: Hans Günther Ullrich, Priester und ehemaliger Manager.
Mitarbeiter soll als Individuum gewürdigt werden
Foto: imago images | Der Mitarbeiter soll als Individuum gewürdigt werden und nicht zum Rädchen in der Betriebsmaschinerie werden. So wie in Charlie Chaplins Film „Modern Times“ aus dem Jahr 1936.

Bevor er 2008 Priester zum Priester geweiht geworden ist, arbeitete Hans Günther Ullrich 16 Jahre in Führungspositionen in der Industrie. Schon damals habe für ihn der Dienst am Menschen immer im Mittelpunkt gestanden, sagt der promovierte Jurist, der heute dem Bund Katholischer Unternehmer als Geistlicher Berater zur Seite steht.

Hans Günther Ullrich
Foto: Privat | Hans Günther Ullrich.

1961 in Trier geboren, studierte Ullrich zunächst Jura in Bonn, Köln und München. „Erst in der Referendarzeit wurde mir klar, dass ich keinen klassischen juristischen Beruf ergreifen möchte“, sagt er. Er entschied sich für die Industrie und wurde 1990 persönlicher Referent eines Augsburger Unternehmers. Drei Jahre später war er Personalchef von über 1 200 Mitarbeitern. „Das schönste Projekt meiner Zeit in der Industrie war die Umgestaltung der Produktion nach innovativen Konzepten von Gruppenarbeit und Fließfertigung“, sagt er heute. Denn: „Da durfte ich erfahren, welches enorme Potenzial sich entfaltet, wenn man die Mitarbeiter nicht als Ressource, sondern als Personen behandelt, ihnen echte Freiheit und Verantwortung einräumt und sie entsprechend informiert und qualifiziert.“

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Plädoyer für ein neues Wirtschaftsverständnis

Gerade hat er ein neues Buch veröffentlicht: „Maßstab Mensch. Plädoyer für ein neues Wirtschaftsverständnis“ (JP Bachem Editionen). Ullrich argumentiert dafür, dass Wirtschaft und Arbeit primär vom Menschen als Person her verstanden werden müssen. „In der Arbeit geht es um viel mehr als Geld. Sie ist Teil der menschlichen Kultur und der Ort, an dem die Person sich entfaltet und ihren konkreten, ganz persönlichen Beitrag zur Gestalt der Welt leistet.“ Die Einzigartigkeit jedes Menschen und seine existenzielle Bezogenheit auf die Gemeinschaft machen zusammen für Ullrich den Begriff der Person aus. „Die Menschen sind so angelegt, dass sie einander ergänzen“, ist der Trierer Domvikar überzeugt: „Was anthropologisch richtig ist, was dem Menschen gerecht wird und ihm gut tut, das ist auch ökonomisch richtig – nicht umgekehrt.“

Erfahrungen aus der Industrie

Im Buch verarbeitet er dabei seine Erfahrungen in der Industrie und skizziert den für ihn zentralen Personbegriff der katholischen Soziallehre in zwölf praxisnahen Perspektiven. „In der Sicht des Menschen als Person liegt der Schlüssel zu zahlreichen Sinn- und Orientierungsfragen, die unserer Zeit gestellt sind.“ In seinem Denken habe er viel von Papst Johannes Paul II. gelernt. „Aber erst in der praktischen Managementarbeit ist mir klar geworden, welche Tragweite das Menschenbild hat, das dem eigenen Tun zugrunde liegt.“ 1998 ging er zu einem internationalen Autozulieferer in Esslingen, wo er später Geschäftsführer wurde.

Ullrich war verantwortlich für den Aufbau der globalen Präsenz des Unternehmens. Er erlebte dabei, wie sich die unterschiedlichen Kulturen im Arbeitsalltag ausdrücken. „Während etwa in den USA der Individualismus das Bild prägt, die Freiheit des Einzelnen als Macher, und soziale Verantwortung kaum empfunden wird“, so hat er beobachtet, „versteht sich im asiatischen Raum der Einzelne vom Kollektiv her, sei es das Unternehmen, der Staat oder die Partei. Er definiert sich durch den Beitrag, den er zum Wohl dieser Gemeinschaft leistet. Die Freiheit des Einzelnen ist dabei klar dem Kollektiv untergeordnet, den Begriff Person gibt es dort nicht.“

Mehr Sprechfähigkeit gewinnen

Europa und die Idee der Sozialen Marktwirtschaft stünden hier mit der Sicht des Menschen als Person in einer vermittelnden Position. „Wir verstehen und teilen die Grundanliegen des Individualismus und des Kollektivismus, stellen sie aber nicht gegeneinander, sondern sehen sie als Einheit. Das ist eine starke Basis für interkulturelle Integrationsfähigkeit, und die ist eine strategische Schlüsselkompetenz im globalen Wettbewerb.“ Viele Europäer seien sich jedoch der geistigen Grundlagen ihrer eigenen Kultur nicht bewusst. „Mit dem Buch möchte ich auch einen Beitrag dazu leisten, dass wir zu der so fruchtbaren Sicht des Menschen als Person mehr Sprachfähigkeit gewinnen.“

Der Glaube gibt Tiefeneinsicht

Der Glaube spielte für ihn schon immer eine große Rolle. Schon während seiner Industriezeit hatte er berufsbegleitend Theologie studiert. „Der Glaube ist keine Ideologie, sondern gibt Tiefeneinsicht in die großen, zeitlos gültigen Zusammenhänge des Menschseins. Jesus zeigt den Weg zur ,Fülle des Lebens, wie er selbst es ausdrückt.“ 2006 trat Ullrich ins Trierer Priesterseminar ein, wurde 2008 geweiht. Seit 2010 verantwortet er im Generalvikariat des Bistums Trier verschiedene Dienste an den Schnittstellen von Kirche, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.

Daneben ist ihm wichtig, täglich in der Seelsorge tätig zu sein – in der Trierer Innenstadtpfarrei Liebfrauen und in der geistlichen Begleitung. „Ich spüre gerade bei jungen Leuten ein starkes Interesse an Sinnfragen. „Für Ullrich ist der Ansatz klar: „Ziel der Wirtschaft ist der Mensch, nicht umgekehrt.“

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