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Kardinal Joseph Höffner: Prophetischer Berater

Christliche Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft – Teil XVII: Kardinal Joseph Höffner.
Kardinal Joseph Höffner.
Foto: Historisches Archiv des Erzbistums Köln | Christliche Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft – Kardinal Joseph Höffner.

In seinen 18 Jahren als Erzbischof von Köln und elf Jahren an der Spitze der Bischofskonferenz, vor allem aber durch seine wissenschaftliche Tätigkeit ist er in der Nachkriegszeit der intellektuell führende Kopf im deutschen Episkopat. Sein Einfluss reicht nach Rom und in die Weltkirche; seine Schriften werden in mehrere Sprachen übersetzt: Joseph Kardinal Höffner ist zweifach promovierter Theologe, Volkswirt und Philosoph – eine Persönlichkeit, um mit Rudolf Seiters zu sprechen, die im politischen Dialog zwischen Kirche und Staat über fast vier Jahrzehnte die Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland mit geprägt hat.

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Joseph Höffner habilitiert sich im Fach Moraltheologie

Joseph Höffner kommt Heilig Abend 1906 in einer kleinen Westerwaldgemeinde zur Welt. Unmittelbar nach dem Abitur wechselt er ins Priesterseminar Trier. Der Theologiestudent setzt seine wissenschaftliche Arbeit an der päpstlichen Universität in Rom fort, wo er auch zum Priester geweiht wird. Seine Studien an der Gregoriana schließt Höffner mit Doktorgraden in Philosophie und Theologie ab.

Da Deutschland die theologische Doktorprüfung nicht anerkennt, promoviert Höffner in Freiburg erneut und beginnt zusätzlich das Studium der Volkswirtschaft. Hier wird er einer der Schüler Walter Euckens, dem geistigen Vater des Ordoliberalismus. Nach dem vierten Doktorgrad in Volkswirtschaft habilitiert sich Joseph Höffner im Fach Moraltheologie. Während dieser Zeit ist der junge Geistliche seelsorgerisch in verschiedenen Pfarreien im Bistum Trier tätig, bevor er als Professor für Pastoraltheologie ans dortige Priesterseminar und dann als Professor für christliche Sozialwissenschaft nach Münster berufen wird.

Gehört zur Expertengruppe Adenauers

Nach der Bischofsweihe 1962 in Münster wird Joseph Höffner 1969 Nachfolger von Joseph Frings als Erzbischof von Köln. Die Deutsche Bischofskonferenz wählt ihn 1976 zu ihrem Vorsitzenden.

Durch seine Forschungs- und Lehrtätigkeit auf dem Gebiet der christlichen Sozialwissenschaft wird Höffner früh zu einem gefragten Ratgeber für Wirtschaft und Politik. Er berät mehrere Bonner Ministerien, auch Kanzler Adenauer sucht seine Expertise – nicht ganz uneigennützig, da er Streit in der eigenen Partei, auch mit Ludwig Erhard, vermeiden möchte. Joseph Höffner gehört zu der vierköpfigen Expertengruppe, die im Auftrag des Kanzlers eine umfassende Sozialreform erarbeiten soll, die Adenauer 1953 angekündigt hatte.

„Die Vergreisung Deutschlands wird sich wie eine schleichende Revolution auswirken.“
Kardinal Joseph Höffner

Das Kabinett selbst bleibt bei der umfassenden Aufgabe auf halber Strecke stehen. Das Ergebnis der Professorengruppe um Höffner ist die „Rothenfelser Denkschrift“ von 1955 und findet in Rhöndorf nur teilweise Beifall. Zwar ist es richtig, wenn man Joseph Höffner zu den geistigen Vätern der Rentenreform von 1957 zählt; es gehört aber ebenso zur Wahrheit, dass die Rentenreform Adenauers, die ihm bei der Wahl zur absoluten Mehrheit verhilft, in wesentlichen Punkten nicht an die Vorstellungen Höffners anknüpft.

Gemeinsam mit Wilfried Schreiber, damals Geschäftsführer des Bundes katholischer Unternehmer (BKU) warnt Höffner eindringlich vor den möglichen demographischen Folgen: „Die Vergreisung Deutschlands wird sich wie eine schleichende Revolution auswirken.“ Die Bedenken aus der Wissenschaft wischt Adenauer beiseite, Kinder bekämen die Leute von alleine. Die Realität heute ist bekannt.

Seine Aktzente bekommen nicht nur Beifall

Bei einem Vortrag in Maria Laach 1959 spricht Joseph Höffner über die Verteilung des Privateigentums. Es erfülle dann seinen Sinn, wenn möglichst viele Menschen daran teilhaben und so nicht in die wirtschaftliche Abhängigkeit anderer Schichten oder in die des Staates geraten. Ganz Schüler Walter Euckens und mit Blick auf das Subsidiaritätsprinzip plädiert Höffner gegen die Umverteilung des vorhandenen Vermögens und für „die Beteiligung breiter Schichten unseres Volkes an den jährlichen Neuinvestitionen unter Verzicht auf die Umverteilung des vorhandenen Vermögens“.

Auf diesem Gedanken fußend entwickelt er Vorschläge zur Eigentumsbildung. Auch als Vorsitzender der Bischofskonferenz setzt Höffner Akzente, die nicht überall auf Beifall stoßen. Im Hirtenwort zur Bundestagswahl 1980, das maßgeblich seine Handschrift trägt, wird die wachsende Staatsverschuldung kritisiert, was Höffner den Zorn von Kanzler Schmidt und den im „Spiegel“ erhobenen Vorwurf einbringt, hier werde „geistliche Nötigung“ betrieben. Derlei Vorwürfe bleiben aus, als sich Höffner 1986 im Kontext der Katastrophe von Tschernobyl kritisch mit der Kernkraft auseinandersetzt. Dafür wettert in München Ministerpräsident Strauß, seine Eminenz wisse nicht, wovon er rede.

Analysen Höffners bis heute hochaktuell

Bereits 1962 legt Joseph Höffner unter dem Titel „Christliche Gesellschaftslehre“ ein Buch vor, das seine Überlegungen zu Sozialer Marktwirtschaft, Wirtschaftsethik und Gesellschaftspolitik zusammenfasst und seither durch viele neue Auflagen und Erweiterungen als Standardwerk gilt. Mehrfach übersetzt, findet es innerkirchlich auch in anderen als nur dem europäischen Kontinent Verbreitung.

Manche von Höffners Analysen und Mahnungen lesen sich auch 32 Jahre nach seinem Tod mit Blick auf die Tagespolitik fast befremdlich aktuell. Heute kümmert sich die 2002 gegründete und nach ihm bekannte Gesellschaft darum, „die Soziallehre der Kirche im Sinne des wissenschaftlichen, sozialen und pastoralen Lebenswerkes von Joseph Kardinal Höffner zu pflegen, durch wissenschaftliche Forschung zu vertiefen, zu verbreiten und im Kontext aktueller Fragestellungen und Anwendungen zu vermitteln“.

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