Der politische Kampf zwischen Venezuelas Machthaber Maduro und der Opposition um Interimspräsident Juan Guaidó verlagert sich hin zu der Frage, ob ausländische Hilfslieferungen ins Land gelangen dürfen. Seit Ende vergangener Woche warten Lastwagen an der Las Tienditas-Brücke, dem Grenzübergang bei der kolumbianischen Stadt Cúcuta. Die Trucks haben etwa 100 Tonnen Hilfsgüter, vor allem Nahrungsmittel und Medikamente geladen, finanziert sind sie von der US-Regierung. Doch das venezolanische Militär hat die Brücke auf Befehl von Staatspräsident Nicolás Maduro gesperrt. Der Streit um die Hilfsgüter wird nun zum symbolischen Kampf um die Macht und die Herzen der Venezolaner, die seit Jahren unter einer furchtbaren wirtschaftlichen und sozialen Krise leiden. Millionen Bürger hungern, vor allem Kinder sind schwer getroffen. Das Maduro-Regime leugnet jedoch, dass es eine humanitäre Krise gebe, obwohl in den vergangenen fünf Jahren schon rund ein Zehntel der Bevölkerung – mehr als drei Millionen – aus dem Land geflohen sind.
Den Hilfskonvoi hat der sozialistische Regierungschef als „billige Show“ und als „Falle“ bezeichnet. Die Hilfslieferungen bereiteten eine militärische Intervention der USA vor, sagte Maduro. Bezahlt wurden die Lastwagen von der United States Agency for International Development; die kolumbianische Regierung hat den Transport koordiniert und logistisch geholfen. In den venezolanischen Krankenhäusern wird die Medizin dringend benötigt, seit Jahren bekommen sie kaum noch Nachschub. Tausende Patienten liegen in Hospitälern unversorgt. Es fehlen nicht nur Arzneien, sondern alles: sogar Wasser und Strom. Das Universitätskrankenhaus von Caracas, einst als Modellkrankenhaus des Landes gepriesen, hat seit mehr als zwanzig Tagen keine Wasserversorgung mehr. Es gibt lange Stromunterbrechungen wie in vielen anderen Städten des Landes. Familienangehörige der Patienten versuchen verzweifelt, auf eigene Faust auf dem Schwarzmarkt zu unerschwinglichen Preisen die nötige Medizin zu beschaffen.
Juan Guaidó, der selbsternannte Übergangspräsident, hat im Vorfeld mit der Kirche vereinbart, dass sie eine wichtige Rolle bei der Verteilung der Hilfsgüter spielen soll. Es gab Anfang Februar ein Treffen am Sitz der Bischofskonferenz zwischen Kirchenvertretern und Repräsentanten von Caritas und Rotem Kreuz, wie die Zeitung „El Universal“ meldete. Maduro reagiert auf seine Weise auf die amerikanischen Hilfslieferungen. Während diese an der Brücke nahe Cúcuta warteten, sandte Maduro ein Schiff nach Kuba mit etwa 100 Tonnen Hilfsgütern, darunter Wasserflaschen und Baumaterial.
Kirche vor Ort stärkt den Gegen-Präsidenten
Die Kirche Venezuelas hat sich deutlich auf die Seite der Opposition gestellt und Maduros Herrschaft wegen nicht-demokratischer Wahlen als „illegitim“ bezeichnet. Seit sich Guaidó, der Präsident der demokratisch gewählten Nationalversammlung, am 23. Januar zum Übergangspräsidenten erklärt hat, haben ihn etwa fünfzig Länder anerkannt, als erstes die USA, dann die Lima-Gruppe der wichtigsten lateinamerikanischen Länder und Kanada, sowie in Europa die spanische, französische und deutsche Regierung, die Maduro aufrufen, den Weg für freie und faire Präsidentschaftswahlen frei zu machen. Eine gemeinsame Position der EU wurde indes verhindert durch Einsprüche von Griechenland und Italien. Dort stellte sich die linkspopulistische „Fünf Sterne“-Bewegung quer, die eine Einmischung in Venezuela ablehnt.
Hinter Maduros Regierung haben sich Russland und China gestellt, die in den vergangenen Jahren Milliarden in die staatliche venezolanische Erdölindustrie gesteckt haben, sowie die linksregierten Länder Kuba und Nicaragua. Maduro hat eine Unterschriftensammlung angekündigt. Ziel sei, dass zehn Millionen Venezolaner für seine Regierung unterschreiben und die Intervention der USA verurteilen.
Die venezolanische Bischofskonferenz hat nach den Massendemonstrationen Anfang Februar mit mehr als 100 000 Teilnehmern allein in Caracas noch einmal ihre Unterstützung der Opposition bekräftigt. Auf Twitter wiederholte sie eine Forderung des Erzbischofes von Caracas, Kardinal Jorge Urosa, der Maduro aufforderte, die Macht abzugeben.
Vatikan empfängt Delegation von Guaidó
Anders als die venezolanische Bischofskonferenz hat der Vatikan bislang keine klare Haltung gefunden. Das wird in Venezuela zunehmend kritisiert. „Wir hätten gerne, dass (der Papst) eine viel stärkere und klarere Position bezieht“, sagte der Rektor der katholischen Universität Andrés Bello (UCAB), Pater José Virtuoso, dem Radiosender Union Radio. Vertreter der Universität hatten vorher ein Treffen mit Guaidó und landwirtschaftlichen Produzenten abgehalten. Der Vatikan hat seine Position als „positive Neutralität“ bezeichnet. Papst Franziskus hat abermals angeboten, dass er als Vermittler zur Verfügung stehen werde. Der vatikanische Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin erklärte am Freitag auf Presseanfragen, ob der Vatikan Guaidó als Interimspräsidenten anerkennen könnte: „Der Papst hat klar gemacht, dass der Heilige Stuhl bis jetzt noch keine Stellung bezieht.“ Die „positive Neutralität“ sei nötig, um vermitteln zu können. Dem Papst gehe es immer darum, friedliche Lösungen zu finden. Eine solche Haltung sei keineswegs mit einer Gleichgültigkeit dessen zu verwechseln, „der aus dem Fenster schaut und beobachtet, was passiert“, sagte Parolin laut Agenturangaben.
Maduro hat einen Brief nach Rom geschickt und um Vermittlung gebeten. In Rom traf nun am vergangenen Montag, wie Papstsprecher Alessandro Gisotti bestätigt hat, eine Delegation von Guaidó ein, die Briefe an die italienische Regierung übergeben wollte. Sie wurde auch im vatikanischen Staatssekretariat empfangen. Über die Inhalte der Gespräche schwieg sich Gisotti allerdings aus. Im Frühjahr 2017 hatte der Papst schon einmal vermittelt, nachdem es große Demonstrationen gegeben hatte, bei denen vor allem durch Polizeigewalt Dutzende Menschen starben. Damals hatte Maduro die Gespräche ins Leere laufen lassen und die Zeit genutzt, seine Machtposition wieder zu festigen.