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Unmoralisches Angebot

Was von dem Vorstoß zu halten ist, Gefangene durch Haftverkürzung zur „Spende“ von Körperteilen animieren zu wollen. Ein Kommentar.
Organspende
Foto: IMAGO/Zoonar.com/Berit Kessler (www.imago-images.de) | Der Gesetzesentwurf der beiden Demokraten ist nicht pragmatisch, sondern töricht. Vor allem aber ist er unmoralisch bis auf die Knochen. Im Bild: Niere aus Papier.

In der Politik gilt es als „Tugend“, pragmatisch, also sach- und praxisbezogen zu handeln. Das ist freilich Unsinn. Denn es gibt überhaupt kein Handeln, das sich nicht auf eine Sache richtete und keine Praxis erstrebte. Die eigentliche Frage lautet daher: Was muss bei einer Handlung alles berücksichtigt werden, um in rechter Weise sachbezogen handelt zu können und was kann dabei außen vor und unberücksichtigt bleiben?

Der von zwei Demokraten in das Parlament des US-amerikanischen Bundesstaates Massachusetts eingebrachte Gesetzentwurf, der Gefängnisinsassen mit Haftverkürzungen von bis zu einem Jahr, die Spende von Knochenmark und Organen schmackhaft machen will, ist daher auch nicht pragmatisch, sondern töricht. Vor allem aber ist er unmoralisch bis auf die Knochen.

Das Gegenteil von sachbezogen

Töricht ist er, weil es den Strafvollzug, das System der Strafbemessung und, mehr noch, letztlich das Prinzip der Gerechtigkeit untergraben würde, wenn Häftlinge durch die „Spende“ von Knochenmark oder eines Organs, Einfluss auf die Dauer des Freiheitsentzugs nehmen könnten, den sie sich aus anderen Gründen eingehandelt haben. Dies wäre vielmehr sachfremd und damit das genaue Gegenteil von sachbezogen.

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Unmoralisch, und zwar buchstäblich auf die Knochen, ist er, weil er die Notlage von Menschen ausnutzt. Dass sie in diese, wie vermutet werden darf, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle durch eigene Schuld geraten sind, ändert nichts daran, dass sie nun verwundbar sind, was ihre Verzweckung besonders abscheulich macht.

Menschen sind keine Minen

Letztlich liegt der Gesetzentwurf der beiden Demokraten auf dergleichen Linie, auf der auch die Konzepte der Leihmutterschaft und der Eizellspende liegen. Auch hier macht man sich die Notlage (meist handelt es sich um massive Armut), in diesem Fall von Frauen, zu Nutze, um sachfremde Probleme für andere zufriedenstellend zu lösen.

Menschen sind keine Minen, die man ausbeuten darf. Zu meinen, dies ignorieren zu können, zeugt nicht von Pragmatismus, sondern von mangelhafter Sachkenntnis und einem gerüttelten Maß an Unmoral.

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Stefan Rehder

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