Das Jahr 1918 markiert für Mitteleuropa nicht nur eine politische Zeitenwende, sondern einen staats- und rechtsphilosophischen Bruch: Das Ende eines Zeitalters, dessen Wurzeln bis in die römische Antike hinabreichen, den Beginn einer neuen Epoche und einer tiefen Identitätskrise. Das Ende des Vielvölkerstaates und der Habsburger-Herrschaft bezeichnete der Politikwissenschaftler Gottfried-Karl Kindermann als "historische Schicksalsschläge", deren "traumatisierende Schockwirkung kaum überschätzt werden" könne. Die Habsburger verstanden sich bis zuletzt als Erben des Heiligen Römischen Reichs, vor Gott für ihre Völker verantwortlich.
Traumatisierender Zusammenbruch
In Mitteleuropa endete 1918 eine Allianz von Thron und Altar. An ihre Stelle traten Orientierungslosigkeit, Kirchenverfolgung und menschenfeindliche Ideologien. Von Stephan Baier