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Steinmeier warnt vor "Konkurrenz der Bedürftigen"

In der Debatte um das Vorgehen der Essener Tafel hat sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gegen eine "Konkurrenz der Bedürftigen" gewandt. Er warb in der "Saarbrücker Zeitung" (Mittwoch) für eine differenzierte Betrachtung.
Bundespräsident Steinmeier im Saarland
Foto: Arne Dedert (dpa) | Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (M) und Tobias Hans (CDU, l), Ministerpräsident des Saarlandes, unterhalten sich bei der Präsentation von Integrationsprojekten im VHS-Zentrum mit den beiden Syrern Sultan ...

"Es ist nicht alles auf die Höhe von staatlichen Transferzahlungen zurückzuführen", sagte Steinmeier zu Vorwürfen, die Sozialpolitik trage Verantwortung für wachsende Armut und den Andrang bei Tafeln. "Klar ist aber auch: Die Politik muss Sorge dafür tragen, dass es nicht zu einer Konkurrenz der Bedürftigen kommt, die sich dann auch noch aggressiv äußert."

Mit Blick auf den Beschluss der Essener Tafel, vorerst keine neuen Bedarfskarten an Ausländer auszugeben, hatte es in den vergangenen Tagen zunehmend Rufe nach einem stärkeren staatlichen Kampf gegen Armut gegeben. Ein Bündnis von rund 30 zivilgesellschaftlichen Organisationen forderte höhere Regelsätze für Hartz-IV-Empfänger und Bezieher von Sozialhilfe. Täglich 4,77 Euro für Essen und antialkoholische Getränke reichten bei weitem nicht. Auch die Leistungen für Flüchtlinge seien nicht existenzsichernd.

Laut einer INSA-Umfrage für die "Bild"-Zeitung (Mittwoch) halten 52,5 Prozent die erste Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an der Essener Tafel nicht für "berechtigt". 37,3 Prozent geben Merkel Recht. Zudem finden es 57,6 Prozent der Befragten richtig, dass die "Tafel entschieden hat, vorerst nur noch Inhaber eines deutschen Passes aufzunehmen". 27,2 Prozent sind dagegen.

Die Kanzlerin hatte den Entschluss der Tafel zunächst so kommentiert: "Ich glaube, da sollte man nicht solche Kategorisierungen vornehmen. Das ist nicht gut, aber es zeigt auch den Druck, den es gibt." Später hatte sie den Mitarbeitern Respekt gezollt und deren Verantwortung für die eigene Ausgabepraxis betont. Auf die Frage, ob Merkel die Essener Tafel besuchen wolle, habe die Bundesregierung der Zeitung mitgeteilt, dass es "keine Pläne" gebe.

Der Vorsitzende der Tafel Deutschland, Jochen Brühl, forderte eine rasche Entlastung durch die Bundesregierung. "Die letzten Wochen haben gezeigt, wohin es führt, wenn der Staat ehrenamtliche Hilfsorganisationen wie die Tafeln mit Aufgaben alleine lässt, die größer sind als sie selbst."

Viele Experten nahmen die Mitarbeiter der Essener Tafel vor Rassismus-Vorwürfen in Schutz und lobten den Versuch, mit einem Runden Tisch nach einer Alternativlösung zu suchen. Denkbar seien als vorrübergehende Lösungen Losverfahren oder das Bevorzugen besonders Bedürftiger. Das Grundproblem sei die Überlastung der Tafeln.

Caritas-Präsident Peter Neher forderte "statt kluger Ratschläge" konkrete Hilfe für die Verantwortlichen beim schwierigen Versuch, die Situation zu verbessern, "ohne zwischen einheimischen und ausländischen Bedürftigen zu unterscheiden".

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir sagte dem "Stern": "Ich halte nichts davon, sofort die Rassismus-Keule zu schwingen." Gegen respektloses Verhalten müsse im Einzelfall eingeschritten werden. Darauf seien "Migranten genauso angewiesen wie Einheimische".

KNA / jbj

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