Eugenia Maria Roccella ist nicht das erste ungewohnte Gesicht, das die neue Regierung von Giorgia Meloni in Italien auf die politische Bühne des Landes befördert hat. Schon mit ihrem Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Abgeordnetenkammer, dem Lega-Politiker Lorenzo Fontana, hatte die neue Ministerpräsidentin einen entschiedenen Gender-Kritiker und Abtreibungsgegner für ein hohes Amt im Staate vorgeschlagen. Fontana wurde am ersten Arbeitstag des neu zusammengetretenen Parlaments gewählt und begann seine Antrittsrede mit einem Toast auf den amtierenden Papst. Aber er war schon Familienminister im ersten Kabinett von Giuseppe Conte, das ab 2018 ein Jahr lang mit Lega-Beteiligung regierte. Und als Parlamentspräsident tritt seine persönliche politische Linie hinter die Aufgaben eines institutionellen Verfassungsamts zurück.
Anwältin des Rechts auf Leben
Mit der katholischen Journalistin und Politikerin Roccella ist aber ein völlig neues Gesicht ins Scheinwerferlicht getreten. Am Samstag hat sie ihren Eid als neue Ministerin für Familie, Geburtenrate und Gleichstellung abgelegt. Sie war 2007 Pressesprecherin des „Family Day“, veröffentlichte Artikel gegen die Abtreibungspille Ru486, setzte sich in ihrer journalistischen Arbeit kritisch mit allen Gesetzesentwürfen zur Einführung einer „Ehe für alle“ auseinander und steht klar hinter der traditionellen, auf der Ehe von Mann und Frau basierenden Familie. Die 1953 in Bologna geborene Roccella steht wie kaum ein anderer in der neuen Ministerriege Italiens dafür, dass sich unter Giorgia Meloni in der italienischen Innenpolitik tatsächlich etwas geändert hat.
Das Interessante an ihrer Vita: Sie kam als Tochter eines der Gründer der „Radikalen Partei“ und der Feministin Wanda Raheli zur Welt, wurde ebenfalls Feministin und veröffentlichte 1975 ein Buch zur Verteidigung der Abtreibung. Auch kandidierte sie selber für die „Radikale Partei“, die immer für die Wahlfreiheit der Frau in Sachen Abtreibung eingetreten war. Doch dann trat ein Wandel ein. Sie schloss sich dem katholischen Flügel des damals von Silvio Berlusconi geführten „Volks der Freiheit“ an und verließ das Ambiente der Radikalen, deren politische Agenda „zu einer Zerstörung des Individuums führen“, weil sie „die Vorstellung einer grenzenlosen Freiheit“ verfolgten, die in einer „absoluten Unfreiheit“ enden würde. Sie war zwar einmal für kurze Zeit Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, widmete sich aber vor allem publizistisch der Frauenfrage und bioethischen Themen. Auch als katholische Feministin lehnt sie den Genderismus ab wie auch künstliche Befruchtung und Leihmutterschaft.
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