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Kreuz.net: Die Schlinge zieht sich zu

Der Druck wächst: Das anonyme Onlineportal kreuz.net steht vor der Aufdeckung – Scharfe Kritik auch von den Schweizer Bischöfen: „Zutiefst unchristlich“ – Noch ist unklar, wer die maßgeblichen Köpfe hinter den Hetz-Seiten sind – Doch mit Verdächtigungen wird bereits Politik gemacht. Von Markus Reder
Foto: dpa | Die im Dunklen sieht man nicht. Macher von kreuz.net agieren aus der Anonymität des Internet.

Nach den deutschen und österreichischen Bischöfen hat sich am Wochenende auch der Schweizer Episkopat deutlich von der anonym betriebenen Internetseite „kreuz.net“ distanziert und deren Aktivitäten scharf verurteilt. Das Portal, das von sich selbst behauptet katholisch zu sein, trage die Bezeichnung „katholisch“ zu Unrecht, sagte der Sprecher der Schweizer Bischöfe, Walter Müller, gegenüber der „NZZ am Sonntag“. Viele Inhalte auf kreuz.net seien „zutiefst unchristlich“. Erneut distanzierte sich auch Giuseppe Gracia, Sprecher des Churer Bischofs Vitus Huonder, von dem online-Portal. Die Inhalte von kreuz.net seien teilweise menschenverachtend und diskriminierend und stünden im offenen Widerspruch zur kirchlichen Lehre.

Sowohl in Deutschland als auch in Österreich hatten sich die Bischöfe wiederholt von kreuz.net distanziert. Kreuz.net veröffentlicht seit Jahren diffamierende, hasserfüllte Texte. Diese richten sich gegen Homosexuelle, Protestanten, Muslime und Juden. Genauso aggressiv wird auch gegen Bischöfe oder den Papst gehetzt. Von der im Evangelium geforderten Nächsten-, oder gar Feindesliebe, um die sich Christen mühen sollten, keine Spur.

Seit Jahren wird gerätselt, wer sich hinter den anonymen Machern von kreuz.net verbirgt. Bislang ist es ihnen gelungen, durch ständigen Serverwechsel im Ausland ihre Spuren im Internet zu verwischen. Als kreuz.net nach dem Tod von Dirk Bach hasserfüllt über den homosexuellen Entertainer herzog, brach ein Sturm der Entrüstung los. Nicht zuletzt die Lobby der Homosexuellen nahm sich der Sache an. Der Bruno Gmünder Verlag hat ein Kopfgeld von 15 000 Euro ausgesetzt. David Berger, dem in Köln die Lehrerlaubnis als katholischer Theologe entzogen wurde, fahndet auf eigene Faust nach den Hintermännern. Nun werden Verdächtige gehandelt und Namen gestreut. Die kreuz.net-Köpfe aber sind weiter unbekannt.

Am Samstag widmete die „Süddeutsche Zeitung“ dem Thema eine ganze Seite und unterstellte dem Netzwerk katholischer Priester enge Verbindungen zu kreuz.net. Mehrfach hatte sich das Netzwerk bereits von kreuz.net distanziert. Dennoch räumte einer der Sprecher des Netzwerkes, Pfarrer Hendrick Jolie, in der vergangenen Woche „leichtfertigen Umgang“ mit kreuz net ein. Das Bistum Mainz kündigte daraufhin für diese Woche ein klärendes Gespräch an, nahm den Priester aber gegen falsche Vorwürfe in Schutz (siehe DT vom 17. November).

Auf sorgfältige Klärung von Vorwürfen, wie sie das Bistum Mainz anstrebt, wollen andere nicht warten. Im Internet-Kommentarteil der SZ holte David Berger zum großen Rundumschlag aus. Weil der Apostolische Nuntius in Deutschland kürzlich die Jahresversammlung des Priesternetzwerks besuchte, erklärt Berger das Netzwerk zum „Lieblingsprojekt des Papstes“ und deutete so „die causa kreuz.net“ zum Vatikan-Skandal um. Dem Vatikan drohe ein Riesenskandal, schreibt er. „Diese Hass-Seite kommt aus dem tiefsten Inneren der katholischen Kirche.“ Kreuz.net sei „vielleicht keine christliche, aber eine durch und durch katholische Internetseite, wenn man die derzeit herrschende päpstliche Version dieser Kirche als Maßstab anlegt“, behauptet Berger. Das widerspricht zwar ganz offensichtlich der Realität, passt aber zur Politik der Verdächtigung, die gerade anhebt.

Wenn künftig jeder, der Soutane trägt, Mundkommunion spendet und die lateinische Messe liest, unter kreuz.net-Verdacht gerät, droht eine „Hexenjagd“, die der Kirche schaden und den Hintermännern von kreuz.net nur recht sein kann. Im Nebel der Verdächtigungen können sie weiter ihr Unwesen treiben. Darum tun die kirchlichen Verantwortlichen gut daran, sorgfältig zu prüfen und vor Vorverurteilungen zu warnen. Fliegt kreuz.net auf – die Chancen dafür stehen besser denn je –, werden sich viele warm anziehen müssen, die bislang geglaubt haben, die Anonymität des Internets sei ein verlässlicher Schutz. Das Internet vergisst nichts. Absolut nichts. Liegen die Kontaktdaten erst einmal auf dem Tisch, wird man unterscheiden müssen, wer wie und auf welche Weise sich bei kreuz.net getummelt und zugearbeitet hat. E-Mails an die Redaktion, Postings im Netz, aktive Mitarbeit und die Kernredaktion, das alles lässt sich nicht über einen Kamm scheren. Klar ist aber auch: Wer auch immer gemeint hat, mit den „Kreuznattern“ spielen zu müssen, der muss jetzt mit den Schlangenbissen leben.

Dass ein Internetportal, das für Katholiken No-Go-Gebiet sein sollte, derart viel Aufmerksamkeit erzielt, liegt keineswegs allein an den Hetz- und Hassartikeln, die über die Seite verbreitet werden. Kreuz.net war über viele Vorgänge innerhalb der Kirche erstaunlich gut informiert. Nicht selten fanden sich vertrauliche Inhalte oder Interna auf den Seiten. Stets in dem für kreuz.net typischen aggressiv-verächtlichen Ton. Das legt den Schluss nahe, dass es neben einer kleinen, verschworenen Kernredaktion Maulwürfe geben muss, die recht nahe an manchen Bischöfen sitzen.

Kreuz.net entwickelte sich über die Jahren zu einem Portal, bei dem inmitten all des dort veröffentlichten Drecks manch brisante Information auftauchte. Das nährte nicht nur jenen Online-Voyeurismus, der ständig nach dem neuesten Skandal giert, sondern führte dazu, dass kreuz.net auch in vielen Ordinariaten und Kurien intensiv verfolgt wurde. Mit ständig wachsendem Entsetzen, aber immer auf der Hut, nichts zu verpassen, worauf man möglicherweise reagieren musste. So stiegen die Klicks und der Einfluss der Hetzer wuchs. Denn dieses Portal bezieht seine zerstörerische Kraft ja gerade daraus, dass es viel gelesen wird.

Bislang ist es kreuz.net gelungen, seine Aktivitäten so zu tarnen und zu verschleiern, dass sich alle, die den Machern des Portals auf die Schliche kommen wollten, daran die Zähne ausgebissen haben. Bis vor kurzem hat man sich bei kreuz.net darüber lustig gemacht. Damit könnte jetzt Schluss sein. Endgültig. Denn der Druck auf kreuz.net wächst und er kommt aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Die Kirche in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist intensiv um Aufklärung bemüht, die Homosexuellenlobby macht mobil, die Staatsanwaltschaft ermittelt, der Verfassungsschutz ist aktiv und die Medien haben sich des Themas angenommen.

Einig ist man sich im Ziel, das böse Treiben von kreuz.net zu beenden und die Köpfe hinter dem Hetz-Portal zu enttarnen. Doch während die einen daran arbeiten, den Sumpf trockenzulegen, meinen andere, daraus eine Schlammschlacht gegen die Kirche machen zu können. Wie lange es dauert, bis kreuz.net überführt ist, lässt sich schwer sagen. Beobachter der Szene gehen davon aus, dass es eher um Wochen denn um Monate geht. Das wird sich zeigen. Die Schlinge um kreuz.net jedenfalls zieht sich zu.

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