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Kommentar: Ende der Friedhofsruhe

Hinter der Debatte über die Streichung des Werbeverbots für Abtreibungen steht eine klare Strategie: Der Schwangerschaftsabbruch soll zu einem "normalen" Instrument der Familienplanung werden. Von Stefan Rehder
Petition zum Abtreibungsrecht
Foto: Michel Arriens (Change.org) | Unterstützer der Petition zum Abtreibungsrecht demonstrieren vor dem Reichstag in Berlin. Die Ärztin Hänel hat eine Petition mit mehr als 150.000 Unterstützern für Änderungen im Abtreibungsrecht an ...

Wer ernsthaft glaubt, der Fall einer einzelnen Ärztin, die ein einzelnes Gericht in erster Instanz zur Zahlung einer nahezu lachhaften Geldstrafe von 6 000 Euro verurteilte, animiere gleich vier der sechs im Bundestag vertretenen Parteien zu einer Gesetzesinitiative wie der ersatzlosen Streichung des § 219a aus dem Strafgesetzbuch, der glaubt auch an den Weihnachtsmann oder daran, dass der Klapperstorch die Babys bringt. Wenn auch nur die, die vorher keinem Abtreibungsarzt in die Hände gefallen sind.

Dennoch hat die Debatte, die derzeit noch recht eng um das Werbeverbot für Abtreibung kreist, auch etwas Gutes. Und das sogar trotz ihres mitunter unterirdischen Niveaus – Sie wissen schon „Nazi-Paragraf“ und so. Denn auf diese Weise wurde immerhin die jahrelange Friedhofsruhe, die sich über der hunderttausendfachen Übung vorgeburtlicher Kindstötungen ausgebreitet hat, schlagartig beendet. Auf einmal kann man – auch andernorts – vermehrt lesen und hören, dass der Gesetzgeber Abtreibungen in der Mehrzahl der Fälle für „rechtswidrig“ erachtet und in ihnen eben kein legitimes Mittel der Geburtenregelung erblickt. Und obwohl es nicht ohne Ironie ist, dass in einem weltanschaulich neutralen Staat ausgerechnet die Repräsentanten der christlichen Kirchen die Volksvertreter darauf aufmerksam machen, was die von ihnen beschlossenen Gesetze beinhalten und was nicht, werden Katholiken sicherlich erfreut zu Kenntnis genommen haben, dass sowohl das Zentralkomitee der deutschen Katholiken als auch der Leiter des Kommissariats der Deutschen Bischöfe, Prälat Jüsten, der eben diese bei der Bundesregierung sowie vor dem Parlament vertritt, hierauf ebenso nachdrücklich wie pro-aktiv hingewiesen haben. Offensichtlich ahnen auch die Kirchen, dass es bei der gespielten Entrüstung über das Urteil allenfalls am Rande um die Frage geht, wo Information aufhört und Werbung beginnt. In Wahrheit soll das Werbeverbot für Abtreibungen ersatzlos gestrichen werden, weil es jenen im Weg steht, die ein Frauen- beziehungsweise Menschenrecht auf vorgeburtliche Kindstötungen deklamieren.

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Deutscher Bundestag Schwangerschaftsabbruch

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