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Euthanasie auch in katholischen Kliniken

„Dass Rom hier nun handelt und eine Klärung fordert, ist zu begrüßen“, sagt Sophia Kuby von ADF-International. Von Stephan Baier
Sophia Kuby von ADF-International
Foto: nl

Der Orden „Broeders van Liefde“ wirkt am Euthanasie-System in Belgien mit. Was genau passiert da in den Kliniken und Pflegeheimen des Ordens?

In erster Linie leisten die Einrichtungen der „Brüder der Nächstenliebe“ hervorragende Arbeit mit psychisch kranken Patienten und Behinderten. Sie sind die größte katholische Einrichtung im Gesundheitssektor mit 5 000 Betten alleine in psychiatrischen Einrichtungen. Es ist bisher nicht bekannt, dass dort Euthanasie praktiziert wurde. Allerdings fordern Patienten auch von katholischen Einrichtungen immer mehr, dass ihr Leben durch einen Arzt beendet werde. Ob ein Arzt in einer Einrichtung der „Broeders van Liefde“ einer solchen Forderung bereits Folge geleistet hat, ist nicht bekannt. So gut wie alle traditionell katholischen Krankenhäuser in Belgien praktizieren bereits Euthanasie. Der Unterschied in diesem Fall ist, dass es sich explizit um Euthanasie an nicht terminalen, psychiatrischen Patienten handelt, in Einrichtungen, die von einem katholischen Orden getragen werden. Keine Form der Euthanasie ist aus kirchlicher Sicht zu rechtfertigen, aber der vorliegende Fall geht doch weiter. Gegen Euthanasie an Psychiatrie-Patienten regt sich sogar bei prinzipiellen Euthanasie-Befürwortern in Belgien Widerstand.

Der Heilige Stuhl hat die Brüder nun ultimativ aufgefordert, von der aktiven Sterbehilfe abzulassen und mit kirchenrechtlichen Konsequenzen gedroht. Wie erklären Sie das Vorgehen Roms?

Dem Ultimatum Roms sind vergebliche Bemühungen, die Brüder zum Umdenken zu bewegen, vorausgegangen. Der Ordensobere, Bruder René Stockman, der selbst Belgier ist, hat alles versucht, um den Vereinsvorstand der Einrichtungen zum Einlenken zu bewegen. Die belgische Bischofskonferenz hat ebenso interveniert – vergeblich. Es blieb dem Ordensoberen und der Bischofskonferenz nichts anderes übrig, als die Sache Rom zu übergeben. Dass Rom hier nun entschieden handelt und eine Klärung fordert, ist zu begrüßen. Auch wenn der Schaden bei Nichteinlenken zweifelsohne dramatisch ist – die stillschweigende Duldung der Euthanasie an psychisch Kranken durch eine Organisation, die sich katholisch nennt, wäre noch schlimmer.

Welche Rolle spielt der Generalobere des Ordens, René Stockman, der das vatikanische Ultimatum publik machte?

Bruder Stockman ist ein Mensch mit enormer Klarsicht und Demut. Seit in Belgien Euthanasie legalisiert wurde, ist er ein weitsichtiger und entschiedener Verteidiger des Lebens. Er hat die Gefahr, dass die Euthanasie-Mentalität auch vor katholischen Einrichtungen nicht halt machen würde, früh erkannt und sich dafür eingesetzt, dass sein Orden der katholischen Lehre des bedingungslosen Lebensschutzes treu bleibt. Als der Vereinsvorstand vor einigen Monaten sein Visionspapier veröffentlichte, hat er klargemacht, dass dies nicht hinnehmbar sei. Er war es, der die Bischofskonferenz um eine Stellungnahme bat. Er hat den belgischen Regionaloberen aufgefordert, sich vom Text des Vorstands zu distanzieren, was der Bruder getan hat. Allerdings weigerte sich der übrige Vorstand, der neben elf Laien noch aus zwei weiteren Brüdern besteht, der Distanzierung zu folgen.

Ist damit zu rechnen, dass die Ordensbrüder in Belgien dem römischen Ultimatum Folge leisten?

Es geht nicht um den Orden, sondern um den Verein des Ordens, der weitgehend von Laien geleitet wird. Nur drei von 14 Vorstandsmitgliedern sind Mitglieder des Ordens. Was auf dem Spiel steht, ist die Aberkennung der katholischen Identität und die Trennung des Vereins vom Orden. Der Orden selbst ist nicht Adressat des römischen Schreibens. Es wäre tragisch, ist aber in der kulturellen und moralischen Verfassung Belgiens denkbar, dass der Vorstand dem römischen Ultimatum nicht Folge leistet. In Belgien ist es mittlerweile Gang und Gäbe, Euthanasie als Recht einzufordern, von Katholiken und Konfessionslosen gleichermaßen. Mittlerweile gibt es in Belgien jährlich über 2 000 Euthanasie-Fälle, in den Niederlanden sind es bereits 6 000. Jedes Jahr wird ein neuer Rekord erreicht.

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