Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Lima

Perus neuer Präsident: Pedro Castillo ist Marxist und Wertkonservativer

Pedro Castillo ist neuer Präsident von Peru. Er kommt von ganz links, lehnt aber Abtreibung wie die „Ehe für alle“ ab. Die Vertreter der Kirche im Land beurteilen ihn mehrheitlich kritisch.
Nach der Wahl in Peru
Foto: Martin Mejia (AP) | Ein Anhänger feiert vor dem Wahlplakat den Sieg des neuen peruanischen Präsidenten Pedro Castillo.

Die katholische Kirche in Peru steht vor schwierigen Zeiten. Mit Pedro Castillo, dem linksgerichteten Gewinner der Präsidentschaftswahl, dürfte es für sie zumindest nicht einfach werden. Einerseits verspricht er, eher traditionelle Werte zu verteidigen, die sich mit den Auffassungen der Kirche gut vertragen. Andererseits ist er Mitglied einer marxistisch-leninistischen Partei, die nicht gerade als kirchenfreundlich bekannt ist. Seine Werte in Bezug auf Familie, Abtreibung und Sozialethik unterscheiden sich aber von denen der meisten heutigen Linken: „Ich werde nicht die Abtreibung legalisieren“, sagte Castillo kurz nach der Wahl. „Euthanasie? Ich stimme dem nicht zu. Gleichgeschlechtliche Ehe? Noch schlechter. Die Familie kommt zuerst. Diese zwei Institutionen, Familie und Schule, müssen Hand in Hand gehen“, sagte der 51-jährige Castillo, der jahrzehntelang als Grundschullehrer in einer der ärmsten Provinzen Perus gearbeitet hat.

Vielschichtige Gründe für überraschenden Wahlsieg

Lesen Sie auch:

Am 6. Juni hat er die Stichwahl für die Präsidentschaft des Landes mit 33 Millionen Einwohnern gewonnen. Er schlug knapp – mit nur 44.000 Stimmen Vorsprung – die Gegnerin Keiko Fujimori, die Tochter des früheren Präsidenten Alberto Fujimori, der seit zwölf Jahren wegen Korruption und Menschenrechtsverletzungen im Gefängnis sitzt. Fujimori führt die rechtsgerichtete Fuerza Popular, die Hauptoppositionspartei. Anders als sie ist Castillo auf der nationalen politischen Bühne noch ziemlich neu: Der Lehrer ist dort erstmals vor vier Jahren aufgetaucht, als er einen landesweiten Lehrerstreik organisierte, der von den Provinzen auf die Hauptstadt Lima übergriff. Noch in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl galt Castillo als totaler Außenseiter.

Die Gründe für seinen überraschenden Wahlsieg sind vielschichtig. Er bekam die Unterstützung vieler Unzufriedener, auch der Indigenen. „Dies hier ist ein sehr rassistisches, klassistisches Land“, sagt Amanda Meza, Chefredakteurin von Wayka, einem links-progressiven Online-Medium in Lima. „Die Stimmen für Castillo waren Anti-Fujimori-Stimmen, aber es liegt auch viel an der Ungleichheit, die in der Pandemie noch sichtbarer geworden ist. Die Stimmen für Castillo waren Stimmen für jemanden, der nicht aus der Elite stammt“, fügt sie weiter hinzu.

Mit 5.760 Corona-Todesfällen je eine Million Einwohner ist Peru das laut internationalen Statistiken am härtesten von der Pandemie betroffene Land. Das schwache Gesundheitssystem kollabierte, die Beschaffung und Verteilung von Impfstoffen geht langsam voran. Überall wirken Korruption und Ineffizienz als Bremse. Die Corona-Krise hat auch die Wirtschaft sehr stark getroffen. Perus Bruttoinlandsprodukt ist 2020 um 11 Prozent geschrumpft und es wird wohl bis Anfang 2023 dauern, bis die Wirtschaft ihr Vorkrisenniveau wieder erreicht hat. Die Pandemie hat zudem die Ungleichheit schmerzhaft offengelegt: Die reicheren Bürger können sich einen Platz in Privatkliniken leisten und reisen in die USA für ihre Impfung.

Er sprach vielen aus der Seele

Castillo hat die Wahl mit populistischen Reden gewonnen, die vielen aus der Seele sprachen. Als politischer Außenseiter hat er sich die „korrupten Eliten“ vorgeknöpft. Gegen Keiko Fujimori wird wegen Geldwäsche und illegaler Bereicherung ermittelt. Angesichts des knappen Resultats der Wahl wird diese nicht von allen anerkannt. Fujimori hat gefordert, die Ergebnisse aus 800 Wahllokalen zu annullieren, die angeblich nicht korrekt oder gefälscht gewesen seien. Zwei Wochen nach der Wahl ist aber der Druck auf die Wahlbehörde gestiegen, Castillos Wahl endgültig anzuerkennen.

Auch die Kirche fordert dies und sie will die gesellschaftliche Spannung verringern. „Demokratie hat Regeln und Termine, und die müssen alle respektieren“, sagte Kardinal Pedro Barreto, Vizevorsitzender der peruanischen Bischofskonferenz. „Der Wille des Volkes muss respektiert werden, weder die Gesellschaft noch die Demokratie kann den Grad an Konfrontation aushalten, den wir erreicht haben.“ Der Kardinal bot auch die Hilfe und Vermittlung der Kirche an, um die politischen Spannungen abzubauen.

Aber die Beziehung zwischen katholischer Kirche und Castillo wird bestimmt nicht einfach werden. Eine Reihe Priester haben im Wahlkampf offen Front gemacht gegen ihn und rechtskonservative Bewerber bevorzugt. Im ersten Wahlgang unterstützten einige Raúl López Aliaga, ein Mitglied des Opus Dei, später überwiegend Fujimori. Obwohl die Zahl der Katholiken auch in Peru sinkt, bezeichnen sich noch immer 73 Prozent der Bürger als Katholiken, 17 Prozent gehören evangelikalen Kirchen an. Castillo nennt sich Katholik, seine Ehefrau ist evangelisch.

Obwohl Castillo persönlich keinen Umsturz aller Werte propagiert, gibt es doch viel Misstrauen gegen seine Partei, „Peru Libre“, die sich selbst als marxistisch-leninistisch bezeichnet. „Castillo kommt aus einer Hardliner-Partei“, sagt der Politikwissenschaftler Eduardo Dargent. „Ihre Ideologie liest sich wie das Programm der 1960er-Kommunisten. Castillo selbst kommt aus der eher syndikalistischen Gewerkschaftsrichtung“, fügt er hinzu. Seit dem Wahlsieg hat der designierte neue Präsident indes eher moderate Signale ausgesandt. Er will die Steuern für Unternehmen erhöhen, aber eine Massenverstaatlichung wie in Venezuela soll nicht anstehen. Ein Wiedergänger des charismatischen Sozialistenführers Hugo Chávez, der den „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ propagierte, ist der Grundschullehrer auch nicht.

Trotzdem fürchten viele Konservative, auch in der Kirche, den Wahlsieger. Omar Sánchez, Priester und Direktor der Sozialorganisation Las Bienaventurazas hat sich in Predigten und Radiovorträgen gegen Castillo ausgesprochen. „Wir wollen nicht, dass der Kommunismus unser Land regiert, wir wollen keine atheistische Ideologie und keinen Feind der Kirche an der Regierung. Kein Katholik sollte für eine marxistisch-leninistische Partei stimmen“, erklärte Sánchez. Auch Pablo Meloni Navarro, ein einflussreicher Priester im Bezirk San Isidro in Lima, wo die Elite lebt, hat in seinen Predigten vor den Kommunisten und dem messianischen Tonfall in Castillos Reden gewarnt. Manche glauben, dass Castillo sich nicht besonders lange halten können wird. Fujimoris Partei und andere rechte und konservative Parteien haben die Parlamentsmehrheit und könnten ihn stürzen.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Marcela Vélez-Plickert

Weitere Artikel

Im Einsatz in der vierten Welle: Der bayerische Landesgeschäftsführer der Malteser warnt in einem Gastbeitrag davor, dass dem Rettungsdienst angesichts der Corona-Zahlen bald eine ernsthafte ...
30.11.2021, 09 Uhr
Christoph Friedrich

Kirche

In der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) ist ein Streit um das Pfarramt für Frauen entbrannt. Im äußersten Fall droht die Spaltung.
22.04.2024, 16 Uhr
Vorabmeldung
Der von Papst Paul VI. eingeführte Weltgebetstag um geistliche Berufungen hat nichts von seiner Dringlichkeit verloren, schreibt Markus Hofmann.
20.04.2024, 19 Uhr
Markus Hofmann