Rückschlag für Abtreibungsgegner: Das Bundesland Hessen hat einen Erlass verabschiedet, der künftig Mahnwachen und Proteste vor Arztpraxen, Kliniken und Beratungsstellen stark einschränkt. Darüber hatte zuerst die „Frankfurter Rundschau“ berichtet. Ziel des vom hessischen Innenministerium verabschiedeten Papiers ist es sicherzustellen, dass Schwangere während der Öffnungszeiten der jeweiligen Einrichtungen nicht mit Demonstranten in Kontakt kommen.
Belehrende Einflussnahme diene nicht dem Lebensrecht des Kindes
Betont wird das Recht der Frauen, „vertraulich und auf Wunsch auch anonym“ beraten zu werden. Eine auf Erzeugung von Schuldgefühlen abzielende und in dieser Weise belehrende Einflussnahme diene „weder dem Lebensrecht des ungeborenen Kindes noch dem Selbstbestimmungsrecht der Frau“. Begründet wird diese Einschätzung damit, dass eine solche Einflussnahme zuallererst die Bereitschaft der Frauen im Schwangerschaftskonflikt einschränke, sich der Beratung zu öffnen.
Auf Anfrage der „Katholischen Nachrichtenagentur“ erklärte ein Sprecher des hessischen Innenministeriums, dass der Erlass ab sofort gelte. Hessen sei seines Wissens das erste Bundesland, das eine derartige Regelung verabschiedet habe. Darin heißt es weiter, dass Demonstrationen und Mahnwachen nur dort erlaubt werden sollen, wo kein Sicht- oder Rufkontakt mit der Beratungsstelle bestehe. Dabei handele es sich zwar um einen Eingriff in das Versammlungsrecht. Dieser sei aber „in der Regel zulässig, wenn nicht sogar geboten“, um das Persönlichkeitsrecht betroffener Frauen zu schützen, die eine Beratung suchen.
Linke forderte Schutzzone von 150 Metern
Der „Frankfurter Rundschau“ zufolge würden Lebensschützer seit drei Jahren im Frühjahr und im Herbst vor der Landesgeschäftsstelle von Pro Familia in Frankfurt demonstrieren. Die Beratungsstellen würden beklagen, dass der Gang zu ihnen so zum „Spießrutenlauf“ werden würde. Auch vor der Praxis der Gießener Abtreibungsärztin Kristina Hänel werden immer wieder Mahnwachen abgehalten.
Die Linke im hessischen Landtag hatte bereits im März einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der sogar die Einführung einer „Schutzzone“ von 150 Metern vor Praxen, Kliniken und Beratungsstellen vorgesehen hatte. Dort hätte nicht protestiert und demonstriert werden dürfen. CDU-Politiker brachten dagegen jedoch rechtliche Bedenken vor.
Grünen loben "unmittelbare Wirkung" des Erlasses
Die Grünen im Landtag lobten die Lösung, die nun in Zusammenarbeit mit der CDU entstanden war. Eva Goldbach, Innenpolitikerin der Grünen, hob die „unmittelbare Wirkung“ des Erlasses hervor – im Unterschied zu einem Gesetz, das erst beraten und verabschiedet werden müsse. Schon bald könnte das Papier seine Wirkung entfalten: Im September wollen Lebensschützer wieder vor der Beratungsstelle von Pro Familia in Frankfurt demonstrieren. In Zukunft müssen sie aber größeren Abstand zur Beratungsstelle halten als in den vergangenen Jahren.
DT/mlu/KNA
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