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Leitartikel: Der Griff nach dem Thron

Für gläubige Katholiken sind „Designerbabys“ ein „No go“. Warum dies auch für alle anderen vernünftigen Menschen gelten müsste. Von Stefan Rehder
Stefan Rheder - Autor "Der Tagespost"

Die Geduld des Schöpfers mit seinen Geschöpfen scheint unerschöpflich zu sein. Bislang jedenfalls. Dabei wäre schon engelsgleich mehr, als wir verdienen. Sklaverei und Menschenhandel, Folter und Kindesmissbrauch, vorgeburtliche Kindstötungen und Völkermord – die Geschichte der Menschheit ließe sich auch als eine schreiben, die geradezu mutwillig nach einer Sollbruchstelle im göttlichen Geduldsfaden fahndet. Wenn auch als eine, der durchschlagender Erfolg versagt geblieben ist. Bisher jedenfalls. Die spannende Frage lautet, ob das auch dann so bleibt, wenn der Mensch sich tatsächlich anschickte, sogenannte Designerbabys zu kreieren und Seinesgleichen nach seinem eigenen Bild entwürfe (siehe auch S. 25). Denn das Hacken des genetischen Codes mit dem Ziel, den Menschen nach eigenem Gutdünken umzugestalten, ist von einer gänzlich anderen Qualität als das Experimentieren eines übermütigen Kindes mit dem Chemiebaukasten. Mit ihm überträte der Mensch nicht „bloß“ Gebote des Dekalogs und beginge eine „Todsünde“. Eine, die so heißt, weil sie, sofern sie nicht gebeichtet und nicht bereut wird, nach katholischer Lehre die Ewige Verdammnis nach sich zieht. Mit der Neugestaltung des Menschen nach seinem eigenen Bild griffe die „Krönung“ von Gottes Schöpfung nach dem Thron des „deus creator omnium“ selbst. Ob Gott das dulden kann und wird, steht auf einem Blatt, das im überbordenden Sündenregister der Menschheit – mangels der dafür erforderlichen Technologie – bislang noch unbeschrieben ist. Was Katholiken und Christen weiterer Konfessionen sowie Gläubige anderer Religionen zu beschäftigen vermag, wird allerdings weder Atheisten noch Agnostiker hinter der Kühltruhe hervorlocken können. Denn wer meint, sicher sein zu können, dass Gott nicht existiert oder die Ansicht vertritt, dass sich die Existenz Gottes unmöglich klären lasse, wird sich auch nicht für die möglichen Folgen eines versuchten Thronraubs interessieren. Und das ist auch gut so. Denn es zwingt die Gläubigen, sich auf Argumente zu beschränken, die von allen geteilt werden können und entzieht dem häufig erhobenen Vorwurf, Katholiken oder anders religiöse Menschen verlangten von anderen, ihrer „Sondermoral“ zu huldigen, den intellektuellen Boden. Niemand muss an die Gottesebenbildlichkeit des Menschen oder auch nur an einen Schöpfergott glauben, um die Erschaffung von Designerbabys abzulehnen.

Vielmehr ist für jeden einsehbar, dass das Designen von Menschen nach den Wünschen und Vorstellungen ihrer Erzeuger unser bisheriges Selbstverständnis unwiderruflich und bis auf den Grund zerstörte. So verschieden Menschen sein mögen, gemeinsam ist ihnen, dass ihr Genotyp von keinem anderen Menschen erdacht und festgelegt wurde. Weil Eltern bislang keinen Einfluss darauf nehmen konnten, welche Gene sie an ihre Kinder vererben, verdanken diese ihnen zwar ihr Dasein, jedoch nicht ihr Sosein. Jedenfalls nicht, soweit dieses genetische Ursachen hat und nicht Folge von Erziehung ist.

Erstmalig in der Menschheitsgeschichte würde der Mensch zum Architekten seiner eigenen Spezies. Damit gehörten aber auch säkulare Werte wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit der Vergangenheit an. Es ist darum nicht das Misslingen der „Verbesserung“ des genetischen Codes, das die säkularen Gesellschaften fürchten sollten. Es ist sein Gelingen.

 
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