Ein überraschender Vorschlag: Die neue Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD), will die Wehrpflicht wieder einführen. Dass diese Idee ausgerechnet von Högl kommt, verwundert. Die neue Wehrbeauftragte ist auf dem linken Flügel ihrer Partei beheimatet und hat vor ihrem Amtsantritt auch nicht mit verteidigungspolitischem Wissen gepunktet. So liegt der Verdacht nahe, dass sich hier vor allem jemand öffentlichkeitswirksam ins Gespräch bringen will. Und zwar auf Kosten der Soldaten. Als Begründung führt Högl nämlich an: Die Wehrpflicht garantiere, dass viele junge Menschen aus der Mitte der Gesellschaft zur Bundeswehr kommen. So könne am besten verhindert werden, dass sich rechtsextremistische Tendenzen in der Truppe verbreiteten. Konkreter Anlass war der Fall eines Soldaten der Eliteeinheit KSK. Bei dem Sachsen war ein illegales Waffenlager ausgehoben worden.
Nach Högls Argumentation wird die ganze Truppe zum Verdachtsfall
Natürlich ist es richtig, rechtsextremistische Tendenzen in der Bundeswehr klar zu identifizieren und zu bekämpfen. Indem Högl aber so argumentiert - in dem entsprechenden Interview wird sogar über eine Untergrundarmee spekuliert - wird die ganze Truppe zum Verdachtsfall. Das ist viel zu pauschal, mal abgesehen davon, dass die Wehrbeauftragte so nicht ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den Soldaten gerecht wird.
Gleichwohl wird hier aber auch das eigentliche Problem deutlich: Die Bundeswehr leidet unter einem großen Image-Problem. Das ist der Grund, warum der Soldatenberuf für zu wenige junge Leuten attraktiv ist. Wer will schon in einer Truppe mitmachen, die latent unter Rechtsextremismus-Verdacht steht? Dieses Problem lässt sich auch nicht durch eine neue Wehrpflicht lösen. Denn es müsste ja natürlich auch wieder einen Ersatzdienst geben. Letztlich würde der gleiche Effekt einsetzen, der auch schon die letzten Jahre Wehrpflicht geprägt hat: Nur ein Bruchteil eines Jahrganges geht tatsächlich zur Bundeswehr.
Um die Ursache für das Problem zu sehen, muss man tiefer bohren: Die Bundesrepublik ist stolz darauf, dass ihre Soldaten loyale "Staatsbürger in Uniform" sind. Das ist anders als in der Weimarer Republik, in der die Reichswehr tatsächlich zum Staat im Staate werden konnte. Die Wehrpflicht war eine Konsequenz aus dieser historischen Erfahrung. Loyalität ist aber immer auf Gegenseitigkeit ausgerichtet. Der Soldat ist als Staatsbürger loyal gegenüber dem Staat, wie loyal stehen aber die anderen Staatsbürger dem Soldaten gegenüber, der bereit ist im Verteidigungsfall für ihre Sicherheit, sein Leben zu opfern? Nur zwei Beispiele: Das sogenannte "Soldaten sind Mörder"-Urteil von 1995. Damals urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass dieses Zitat von Kurt Tucholsky nur dann als Beleidigung strafbar sei, wenn es sich konkret gegen einen einzelnen Soldaten oder die Bundeswehr richte, als allgemeinpolitische Kritik an "Soldatentum" und "Kriegshandwerk" aber legitim sei.
Feinsinnige Unterscheidungen kommen in der Bevölkerung nicht an
Nur diese feinsinnigen Unterscheidungen kommen in der Bevölkerung nicht an. Hier setzt sich die Verbindung der Begriffe "Soldaten" und "Mörder" fest - ein fatales Signal. Die Folgen zeigen sich am zweiten Beispiel: Immer wieder wird kritisiert, dass Soldaten an Schulen sprechen, etwa im letzten Jahr auch von der Berliner SPD, aus der Högl stammt. Was ist daran falsch, wenn ein Staatsdiener in der Schule über seinen Dienst für den Staat spricht? Oder ist mit diesem Dienst, den dieser Staatsdiener verrichtet, irgendetwas nicht in Ordnung? Diese Fragen stellen sich dann Schüler aus "der Mitte der Gesellschaft". Wir brauchen keine Dienstdebatte, sondern mehr Solidarität mit den Staatsbürgern in Uniform.
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