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Kommentar: Nehmt die Sorgen ernst

Die Reaktionen auf das Brinkhaus-Interview zu einem muslimischen Bundeskanzler zeigen: Die Deutschen machen sich Sorgen, sie befürchten eine muslimische Dominanz. Das darf die Politik nicht ignorieren. Von Sebastian Sasse
Zur Debatte um muslimischen Bundeskanzler
Foto: Boris Roessler (dpa) | Ralph Brinkhaus kann sich vorstellen, dass ein Muslim in zehn Jahren Bundeskanzler wird. Der klare Tenor der Reaktionen der Bürger: Nein, eine Mehrheit will das offenbar nicht.

Wie ist die Stimmungslage? Politiker stehen mit dieser Frage auf und gehen mit ihr abends ins Bett. Ralph Brinkhaus hat nun eine Antwort auf diese Frage bekommen, die über den Tag hinaus reicht und die nicht nur er, seine Partei, sondern die politischen Verantwortlichen insgesamt deutlich zur Kenntnis nehmen sollten: Die Deutschen machen sich Sorgen, sie befürchten eine muslimische Dominanz.

Politik beginnt damit, die Realität zur Kenntnis zu nehmen

Ob die Gründe dafür gerechtfertigt sind, darüber lässt sich diskutieren. Politik beginnt aber damit, die Realität zur Kenntnis zu nehmen. Und diese Sorge ist real. Politiker haben nicht die Aufgabe, den Bürgern ihre Sorgen auszureden oder weg zu erziehen, sondern sie ihnen zu nehmen. Genau das Gegenteil davon hat Ralph Brinkaus mit seinem Interview erreicht. Die Reaktionen zeigen es.

Er könne sich vorstellen, dass ein Muslim in zehn Jahren Bundeskanzler wird. Entscheidend sei, dass er „unsere Werte“ teile, hatte der Unionsfraktionschef im Gespräch mit Idea spektrum gesagt. Die Bild-Zeitung verbreitete dann das Zitat deutschlandweit. Der klare Tenor der Reaktionen der Bürger: Nein, eine Mehrheit will das offenbar nicht. Jetzt ist es natürlich vollkommen richtig, wenn darauf verwiesen wird, dass jeder deutsche Staatsbürger, ob Muslim, Hindu oder Zeuge Jehova, Bundeskanzler werden kann.

Politiker sollten Sorgen ernst nehmen, nicht schüren

Nur freilich ist dieser Hinweis so richtig wie folgenlos. Er gibt dem Politiker nämlich keine Antwort auf seine Gretchenfrage: Was denkt die Bevölkerung und wie hältst du es mit dieser Stimmungslage? Sie stellt sich nicht nur Brinkhaus, sondern allen Politikern parteiübergreifend. Einige Reaktionen aus der Union, etwa von Wolfgang Bosbach, zeigen bereits, dass viele zurecht der Meinung sind, die Sorgen der Bevölkerung nicht ignorieren zu können. Klar ist dabei auch: Politiker sollen Sorgen ernst nehmen, nicht schüren. Aber ignorieren geht überhaupt nicht.

Schließlich noch ein Wort zu Brinkhaus: Es wäre sicherlich falsch ihn jetzt zum Exponenten einer bürgerfernen Politikerelite zu stilisieren. Das ist er, der in einer Kampfabstimmung gegen Merkels Willen Fraktionschef geworden ist, gerade nicht. Und auch die Unbefangenheit mit der er seinen Satz gesagt hat, spricht dafür, dass er damit kein ideologisches Konzept verbindet. In gewisser Weise hätte es auch ein anderer sagen können. Wichtig ist aber, dass Brinkhaus es gesagt hat, denn jetzt haben wir endlich eine Debatte.

DT/sesa

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