Chinas Weltmachtstreben

Im Werte-Wettstreit

Bei seiner lautlosen Eroberung der Welt stehen Peking die USA sichtbar im Weg. Europa sollte sicht- und hörbarer Widerstand leisten. Ein Kommentar.
Frankreichs Präsident Macron mit Chinas Präsident Xi
Foto: IMAGO/Shen Hong (www.imago-images.de) | Der Appell Xi Jinpings an Präsident Macron, Frankreich und Europa sollten mit China "den Geist der Unabhängigkeit und der Autonomie wahren", ist nicht nur Manipulation.

Geschichte wiederholt sich nicht einfach. Insofern ist es naiv, Bilder des Kalten Krieges als Folie über die heutige Weltlage zu legen. Der Aufstieg Chinas zur Weltmacht ist keine Verlängerung der sowjetischen Bedrohung, sondern folgt einer eigenen, historisch wie ideologisch komplexeren Logik. Darum ist der Appell Xi Jinpings an Präsident Macron, Frankreich und Europa sollten mit China "den Geist der Unabhängigkeit und der Autonomie wahren", nicht nur Manipulation.

Die EU kann sich nicht auf Washington verlassen

Tatsächlich muss das vereinte Europa eine an den eigenen Werten und Interessen orientierte Außenpolitik entfalten. Die EU kann sich nicht darauf verlassen, dass Washington wie einst im Kalten Krieg stets europäische Interessen vertritt und verteidigt. Manipulativ ist Xis Appell gleichwohl: Nicht nur, weil er mit Macron den Vertreter der einzigen europäischen Atommacht als Repräsentant Europas adressiert, was in Brüssel zu denken geben sollte. Chinas starker Mann versucht, Europa und die USA zu spalten.

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Pragmatisch und ökonomisch gibt es dafür Argumente, doch im Werte-Wettstreit mit der Weltmacht China sollte sich der Westen transatlantisch abstimmen. Weder in der Taiwan- noch in der Hongkong-Frage, weder mit Blick auf die Uiguren noch bei der Religionsfreiheit geht es um bloße Interessen, wie Peking suggerieren möchte. Es geht um Menschenrechte und Prinzipien des Völkerrechts.

Amerika und Europa sind von der Universalität der Menschenrechte überzeugt; China lehnt deren "westliche Interpretation" und somit deren universale Geltung ab. Ebenso denkt das Regime in Peking gar nicht daran, sich am Völkerrecht und internationalen Institutionen zu orientieren, wenn das seinen Zielen zuwiderläuft. Xi Jinping ist angetreten, Chinas Aufstieg zur Weltmacht Nummer Eins zu dirigieren: Nicht mit den Methoden des 20. Jahrhunderts, denen Putin ein blutiges Comeback verschafft hat, sondern mit Strategien des 21. Jahrhunderts. Bei seiner lautlosen Eroberung der Welt stehen Peking die USA sichtbar im Weg. Europas wohlbegründeter Widerstand sollte sicht- und hörbarer werden.

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Stephan Baier Völkerrecht Wladimir Wladimirowitsch Putin Xi Jinping

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