Für Liz Truss gibt es keine 100 Tage Schonfrist. Sofort nach ihrem Einzug in der Downing Street weht ihr ein eisiger Wind ins Gesicht. Ein Berg von Problemen wartet auf die neue britische Premierministerin. Am schlimmsten ist der Energiepreisschock, der Millionen Haushalte und viele Unternehmen in den Ruin zu treiben droht.
Wie soll ein Stimmungsumschwung gelingen?
Im Tory-Wahlkampf gegen Rishi Sunak hat die 47-jährige vor allem mit dem Versprechen von Steuersenkungen gepunktet, nun friert sie die Strom- und Gaspreise ein und interveniert in den Energiemarkt. Nach dem Sieg in der Mitgliederabstimmung muss Truss den Karren ziehen, den ihr Vorgänger Boris Johnson tief in den Dreck gefahren hat. Ab Herbst droht eine Rezession. Wie soll da ein Stimmungsumschwung gelingen?
Liz Truss ist eine erfahrene Politikerin, seit 2014 hat sie – unter drei Premierministern – wichtige Kabinettsposten innegehabt. Sie führte das Umwelt- und Agrarministerium, das Justiz-, das Handels- und zuletzt das Außenministerium. Dass sie all die Umbrüche und Revolten in Partei und Regierung politisch überlebt hat, spricht für politisches Geschick und Standfestigkeit, aber auch eine Wendigkeit, die manche als Opportunismus auslegen.
Beim Brexit-Referendum 2016 warb sie gegen den EU-Austritt, danach wurde sie eifrige Brexit-Befürworterin. Sie stammt aus einem linken Labour-Elternhaus (der Vater war Mathematikprofessor, ihre Mutter Krankenschwester und Lehrerin, die sie auf linke Friedensdemos mitschleppten), nach ihrer Studienzeit in Oxford tendierte sie immer mehr nach rechts, wurde Mitglied der Konservativen und stramme Thatcher-Anhängerin.
Auch wenn sie sagt, sie sei kein Thatcher-Klon, gibt sie sich bis in den Kleidungsstil als Wiedergänger der Eisernen Lady.
Als Außenministerin für harten Anti-Putin-Kurs
Als Außenministerin stand sie für einen harten Anti-Putin-Kurs. Im Inneren stellt sich Liz Truss gegen jene, die Britannien nach links drehen wollen. In den LGTB- und Culture-Wars hat sie pointiert Position bezogen. Transgender-Behandlungen für Jugendliche sieht die Mutter zweier Töchter sehr kritisch. Sie unterstützte den harten Kurs gegen illegal einreisenden Asylbewerber.
All das kommt gut an bei der Mehrheit der 140.000 Tory-Mitglieder, die sie gewählt hat. Aber in den allgemeinen Wählerumfragen liegen die Konservativen weit hinter Labour. Ende 2024 ist die nächste Parlamentswahl. Viele Tory-Abgeordnete zittern schon. Und für Liz Truss wird es bei diesem Urnengang dann um ihr politisches Überleben gehen.
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