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Französisches Gericht erkennt Gesundheitsschädigung durch Windräder an

Erstmals erkennt ein französisches Gericht die Realität des „Windrad-Syndroms“ an und spricht einem Ehepaar 128.000 Euro Schadensersatz für Schäden zu, die sie in den vergangenen Jahren wegen eines Windparks in ihrer Nähe erlitten.
Windenergieanlage
Foto: Patrick Pleul (dpa-Zentralbild) | Erstmals erkannte ein Gericht in Frankreich die Realität eines „Windrad-Syndroms“ an, das eine Schädigung ihres Gesundheitszustandes verursacht habe.

Nach jahrelangem Rechtsstreit wurde einem belgischen Ehepaar, das sich im Departement Tarn im Süden Frankreichs niedergelassen hatte, vom Toulouser Berufungsgericht eine Entschädigung durch zwei Windpark-Unternehmen in Höhe von 128.000 Euro zugesprochen, weil sie durch die Installierung von sechs Windrädern im Abstand von 700 bis 1300 Meter von ihrem Grundstück entfernt gesundheitliche, aber auch finanzielle Schäden erlitten hatten, wie der Figaro berichtet.

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Wertvolle Natur

In der ersten Instanz verloren die Eheleute den Prozess gegen die Windkraftbetreiber. Nun aber entschied das Berufungsgericht in Toulouse zu ihren Gunsten. Die Anwältin des Paares sagte dem Figaro: „Ich glaube, dass diese richterliche Entscheidung in Frankreich beispiellos ist“

Im Jahr 2004 habe das damals vierzigjährige Ehepaar dem Figaro zufolge ein altes Bauernhaus von 1813 im Herzen des regionalen Naturparks im Haut Languedoc erworben und renoviert. Die Immobilie bestand aus einem Wohnhaus sowie drei weiteren Gebäuden, die 2006 zu Ferienwohnungen ausgebaut worden seien. Die beiden Besitzer wollten inmitten der Natur Frankreichs leben und Touristen beherbergen: „Wir haben dieses Haus gekauft, weil es in einer ökologisch faunistisch und floristisch wertvollen Naturlandschaft (ZNIEFF) gelegen ist“, erläutert die Ehefrau Christel F.

Windräder aufgestellt

Doch von 2008 bis 2009 seien sechs Windräder vor ihrem Anwesen errichtet worden – im Abstand von 700 bis 1300 Metern. In Frankreich gilt ein geforderter Mindestabstand von 500 Metern zu Wohngebäuden, daher habe das Ehepaar die Aufstellung nicht anfechten können. Dem Figaro gegenüber erklärt der Ehemann Luc F.: „Anfangs waren wir nicht gegen die Aufstellung der Windräder in der Nähe unserer Wohnstätte, doch nach und nach wurde unser Alltag zum Albtraum“. 2013 dann wurde der Wald, der ihr Haus von den Windrädern abschirmte, abgeholzt. Damit habe ihr „Leidensweg“ begonnen, bemerkt die Anwältin. Die Lichtmarkierungen des Windparks seien besonders stark. Die von ihm ausgehenden Lichtblitze hätten den Eheleuten „den Eindruck vermittelt, sich ständig in einem Gewitter zu befinden“. Es sei „eine wirklich entsetzliche visuelle und auditive Aggression, die nachts noch unerträglicher ist“, unterstreicht Luc F.

Erkrankung durch Windräder

Auf Anfragen der Eheleute habe keines der beiden zuständigen Energieversorgungsunternehmen reagiert. Sowohl „Margnes Énergie“ als auch „Sasu Singladou Énergie“ sind im Departement Deux-Sèvres ansässig: „Diese Unternehmen produzieren grüne Energie weit von ihrer Haustür entfernt – sie kümmern sich nicht um Leute, die direkt daneben wohnen“, beklagt Luc. Die Gesundheit von Luc und Christel habe sich unaufhaltsam verschlechtert. Sie litten unter „Schlafstörungen, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schwindelanfälle, Tinnitus, Herzflimmern und Bewusstseinsstörungen“. Trotz ihrer Eingaben hätten sie keinerlei Unterstützung erhalten – weder von der Kommune noch vom Departement noch von der Region: „Uns wurde bewusst, dass der finanzielle Gewinn durch die Windräder für die regionalen Stellen Vorrang vor dem Wohlbefinden der Anwohner hat“. Denn diese sechs Windräder trügen der Verbandsgemeinde 100.000 Euro jährlich ein.

Auf den Rat ihres Arztes hin hätten sie schließlich resigniert und seien im Mai 2015 umgezogen - 17 Kilometer entfernt von ihrem Haus. Im selben Jahr hätten sie auch die Justiz angerufen. 2017 forderten sie laut Figaro Wiedergutmachung beim Gericht von Castres. Auf Antrag des Gerichts seien zwei Gutachten erstellt worden, ein medizinisches und ein sonometrisches. Letzteres habe das Vorhandensein von für das menschliche Ohr nicht wahrnehmbare Töne festgestellt: den Infraschall. „Dieser Windpark ist also Quelle schädlicher Einwirkungen“, betont die Anwältin der Kläger. Das Gutachten habe, so der Figaro weiter, „gefolgert, dass das Ehepaar Opfer des in Frankreich nicht anerkannten ‚Windrad-Syndroms‘ ist“.

Klage zunächst abgewiesen

Nach drei Jahren der Erstellung von akustischen und medizinischen Gutachten und Gegengutachten seien alle Forderungen der Eheleute im Januar 2020 vom Gericht abgewiesen worden – insbesondere die nach einer Entschädigung für die körperlichen Schäden und für die entgangene Nutzung ihres Grundstücks: „Für das Gericht von Castres sind die Schäden nicht ausreichend von Bedeutung gewesen. Es meinte, dass sie nicht die normalen Unannehmlichkeiten der Nachbarschaft übersteigen“, sagt das Ehepaar. Daraufhin legte es Berufung ein, denn zu ihren körperlichen Beeinträchtigungen sei noch der Wertverlust ihres Eigentums hinzugekommen, das seither unverkäuflich sei.

Berufung erkennt Schaden an

Im Juli dieses Jahres habe das Berufungsgericht von Toulouse den Klägern schließlich Recht gegeben: Es erkannte die Realität eines „Windrad-Syndroms“ an, das eine Schädigung ihres Gesundheitszustandes verursacht habe. „Dieses Syndrom ist in Frankreich offiziell nicht anerkannt“, erklärt die Anwältin des Paars, „doch die von der WHO festgelegte Definition kann von der Justiz nicht geleugnet werden“.

Christel und Luc F. seien damit „anerkannte Opfer dieser ungewöhnlichen Erkrankungen“ durch die Nähe zu Windrädern „und müssen in Höhe von 128.000 Euro entschädigt werden“, heißt es im Figaro weiter.

Doch diese Entschädigung werde ihnen nicht ihr Bauernhaus ersetzen, das seit mehr als drei Jahren zum Verkauf stehe und bisher noch keinen Käufer gefunden habe. „Wir sind gezwungen gewesen, auf unser Lebensprojekt zu verzichten“, bedauern Luc und Christel. Ihre Anwältin hält ihre Akte für den Beweis dafür, dass die Gesetzgebung in Bezug auf die Windkraftindustrie in ländlichen Gebieten revidiert werden müsse. DT/ks

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