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Erzbischof Warda warnt vor Auslöschung der Christen im Irak

Christen im Irak würden auch sechs Jahre nach den Zerstörungen durch den IS vom politischen System unterdrückt und als Bürger zweiter Klasse behandelt, beklagt der chaldäisch-katholische Erzbischof Bashar Warda.
Erzbischof Warda: Christen im Irak weiter von Extremisten bedroht
Foto: Arne Dedert (dpa) | "Wie auch immer man es betrachten mag, das Aussterben kommt näher.“ Von den eineinhalb Millionen Gläubigen in den Jahren bis 2003 seien nur noch 250 000 übrig, so Erzbischof Warda.

Sechs Jahre, nachdem der sogenannte „Islamische Staat“ die christlichen Dörfer in der irakischen Ninive-Ebene überfiel, warnt der chaldäisch-katholische Erzbischof der kurdischen Stadt Erbil, Bashar Warda, vor einer Auslöschung des Christentums im Irak. „Wie auch immer man es betrachten mag, das Aussterben kommt näher.“ Von den eineinhalb Millionen Gläubigen in den Jahren bis 2003 seien nur noch 250 000 übrig, so Warda im Gespräch mit dem internationalen päpstlichen Hilfswerk „Kirche in Not“.

"Wir sind denen ausgeliefert, die sich
uns gegenüber überlegen erklären.
Unser Menschsein gibt uns keine Rechte"

Etwa 120 000 Christen mussten am 6. August 2014 ihre Siedlungen verlassen – viele von ihnen fanden Zuflucht im Gebiet der Stadt Erbil. Erzbischof Warda, der sich in den folgenden drei Jahren um das Fortbestehen der verfolgten christlichen Minderheit kümmerte, beklagt, dass es im Irak noch immer extremistische Gruppen gebe, die Christen als Bürger zweiter Klasse betrachteten und behaupteten, „das Töten von Christen und Jesiden trage zur Verbreitung des Islam bei“.

Doch auch die irakische Verfassung erteile Christen den Status von zweitklassigen Bürgern, so der chaldäisch-katholische Erzbischof. „Wir sind denen ausgeliefert, die sich uns gegenüber überlegen erklären. Unser Menschsein gibt uns keine Rechte.“ Das Problem sieht Warda in einer grundlegenden Krise im Islam selbst. „Wenn diese Krise nicht akzeptiert, nicht angegangen und nicht behoben wird, dann kann es keine Zukunft für die Zivilgesellschaft im Nahen Osten geben, und auch nirgendwo, wo sich der Islam einer Nation aufdrängt.“

Warda kritisiert politische Führung im Irak

Mit der politischen Führung im Irak geht Warda deutlich ins Gericht und warnt vor einer „nächsten Welle der Gewalt“. Diese sei das natürliche Ergebnis eines Regierungssystems, das Ungleichheit predige und Verfolgung rechtfertige. „Einer Gruppe wird beigebracht, dass sie überlegen ist, und dass sie das Recht hat, andere allein aufgrund ihres Glaubens und ihrer religiösen Praktiken als minderwertige Menschen zu behandeln.“ Diese Lehre führe zwangsläufig zu Gewalt gegen die „Unterlegenen“.

Für die Zukunft des Islam sei die Frage entscheidend, so Erzbischof Warda, ob er eine politische Richtung bleibe, „in der die Scharia die Grundlage des Zivilrechts ist und in der fast alle Aspekte des Lebens der Religion untergeordnet sind, oder ob sich eine zivilisiertere und tolerantere Bewegung entwickeln wird“.

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Schlüssel zu friedlicher Koexistenz: Toleranz

Ein Wandel müsse durch eine bewusste Arbeit in der muslimischen Welt selbst herbeigeführt werden. Erste Anzeichen dafür seien erkennbar in Ländern wie Ägypten, Jordanien oder auch Saudi-Arabien. Es bleibe allerdings abzuwarten, „ob dies wirklich aufrichtig ist“.

Den Schlüssel zu einer friedlichen Koexistenz von Christen und Muslimen sowie zu einer friedlichen Entwicklung der Völker sieht Erzbischof Warda in der Toleranz. Augenblicke der Toleranz seien bisher jedoch stets einseitige Erfahrungen gewesen: „Islamische Herrscher entscheiden nach eigenem Ermessen und nach Laune, ob und inwieweit Christen und andere Nicht-Muslime toleriert werden sollten“, so der Erzbischof. Grundsätzlich seien Christen in den Augen des Islam nicht gleich, sondern sollten lediglich toleriert oder nicht toleriert werden, je nach Intensität des vorherrschenden dschihadistischen Geistes. „Ja, die Wurzel all dessen ist die Lehre des Dschihad, die die Rechtfertigung für Gewaltakte ist.“

DT/mlu

Die Hintergründe zu diesem Thema finden Sie in der Wochenausgabe der Tagespost.

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