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Droht dem Linken Gustavo Petro ein Strafverfahren in Spanien?

Ein spanischer Richter ordnet Ermittlungen wegen Entführung eines Journalisten an, der von einer Terrororganisation verschleppt wurde. Dort war Petro einst Mitglied.
Präsidentenwahl in Kolumbien
Foto: Leonardo Munoz (AP) | Gustavo Petro, Präsidentschaftskandidat der Koalition des Historischen Paktes, verlässt ein Wahllokal nach der Stimmabgabe bei den Präsidentschaftswahlen.

Der linksgerichtete, ehemalige Guerilla-Kämpfer Gustavo Petro vom „Historischen Pakt“ hat beim ersten Wahlgang zur Präsidentschaftswahl in Kolumbien mit 40 Prozent die meisten Stimmen erhalten. Am 19. Juni findet die entscheidende Stichwahl zwischen ihm und dem 77-jährigen Bauunternehmer, politisch unabhängigen und von den Medien als „Populist“ bezeichneten Rodolfo Hernández satt, der mit 28,15 Prozent der abgegebenen Stimmen den zweiten Platz belegte. 

Entführungen, Folter, Mord

Am Tag nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahl wurde bekannt, dass der spanische Nationale Gerichtshof eine Klage gegen Gustavo Petro wegen der mutmaßlichen Entführung des Journalisten Fernando González Pacheco durch die „M-19“ im Jahr 1981 zugelassen hat. Dies melden diverse kolumbianische – beispielsweise die zur Tageszeitung „La República“ gehörende Online-Plattform „asuntoslegales.com.co“ – und spanische Medien, etwa „La Razón“. Die „Movimiento 19 de abril“ („Bewegung 19 April“) oder „M-19“ war eine Terrororganisation, zu der Gustavo Petro von 1977 bis 1990 gehörte, und die sich im Jahre 1990 in die politische Partei „Alianza Democrática M-19“ umwandelte. Sie verübte in den 1970er und 1980er Jahren eine Reihe Entführungen einschließlich Folter und Morde.

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Die Klage wurde vom Publizisten François Cavard eingereicht. Es handelt sich um eine Sammelklage wegen 40 von M-19 verübter Straftaten. In einem Interview mit „La Gaceta de la Iberosfera“ weist Cavard darauf hin, dass „das Nationale Zentrum zur Historischen Aufarbeitung“ mehr als 5.900 Straftaten der terroristischen Organisation zusammengetragen habe. Er habe daraus zunächst 80 Fälle herausgefiltert, die er dann auf 40 reduziert habe. In seiner Klage erinnert François Cavard, dass Petro „ein Vorstrafenregister hat“. Er sei zu einer Gefängnisstrafe von 18 Monaten verurteilt worden, von denen er zwölf Monate abgesessen habe, „weil er 1985 in einem Haus in Zipaquirá mit Waffen, Sprengstoff, Kriegsmaterial und M19-Propaganda aufgegriffen wurde.“

Die Angehörigen müssen sich der Klage anschließen

In seinem 21-seitigen Beschluss vom 19. Mai schließt jedoch der Richter am spanischen Nationalen Gerichtshof Joaquín Gadea aus, dass das spanische hohe Gericht für die Untersuchung aller in der Klage aufgeführten Verbrechen zuständig sei. Richter Gadea stellt fest, dass der spanische Gerichtshof gleichwohl befugt sei, die Ermittlungen im Zusammenhang mit der Entführung des Journalisten González Pacheco fortzusetzen. Er bezeichnet die Klage als „schockierenden Tatsachenbericht“. Die Entführung des Journalisten „könnte eine offensichtliche Verbindung zur spanischen Gerichtsbarkeit haben“, weil Fernando González Pacheco offenbar die spanische Staatsangehörigkeit besessen habe, denn „in öffentlichen Quellen wird sein Geburtsort mit Spanien angegeben.“ Das steckt hinter der Formulierung in dem Beschluss, dass die „Zuordnung des Sachverhalts zur spanischen Gerichtsbarkeit untermauert werden“ soll.

Die Klage soll laut dem Beschluss „allein zu dem Zweck zugelassen werden, den Angehörigen von González Pacheco die Möglichkeit zu geben, eine Klage einzureichen“. Denn weil die spanische Staatsanwaltschaft keine Strafanzeige stellen will – sie ist der Meinung, dass die spanischen Gerichte nicht zuständig sind –, kann das Verfahren nur weiter betrieben werden, wenn sich Angehörige des 2014 verstorbenen Journalisten der Klage anschließen. 

Darüber hinaus bittet Richter Gadea die kolumbianischen Behörden mitzuteilen, ob gegen Gustavo Petro „wegen der untersuchten Taten ermittelt wurde, und ob er freigesprochen oder verurteilt wurde“. Wäre dies der Fall, könnten sich spanische Gerichte nicht in eine Angelegenheit einmischen, die bereits von ausländischen Gerichten verhandelt worden ist.  DT/jg

Lesen Sie weitere Hintergründe zur kolumbianischen Präsidentschaftswahl in der kommenden Ausgabe der "Tagespost".

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