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Armin Laschet: „Die, die sich als Pazifisten bezeichneten, geben sich jetzt besonders militaristisch“

Es sei nicht zu Ende gedacht, wenn der Eindruck vermittelt würde, je mehr Waffen wir lieferten, umso schneller ginge der Krieg gegen die Ukraine zu Ende. Armin Laschet, der heute die Westfälische Friedenskonferenz in Münster leitet, über aktuelle Herausforderungen der Friedenspolitik im Interview.
Armin Laschet im Interview
Foto: IMAGO/Wassilis Aswestopoulos (www.imago-images.de) | Armin Laschet im Gespräch mit der "Tagespost": "Wir diskutieren zu sehr innerkirchliche Themen, geben aber den verunsicherten Menschen keine Orientierung."

Herr Laschet, Sie zählen zu den Jahrgängen, die in einer Zeit groß geworden sind, in der ein Krieg in unmittelbarer Nähe zu Deutschland undenkbar schien. Wie schwierig ist es für einen Politiker, sich auf die neue Situation umzustellen?

In der Tat, meine Generation, in den 60er Jahren geboren, kennt Krieg aus eigenem Erleben nicht mehr. Aber auch in den Achtzigerjahren gab es durchaus ernsthafte Bedrohungen für den Frieden. Vor allem aber habe ich in Gesprächen mit den Eltern und den Großeltern viel von deren Erfahrungen im Krieg gehört. Aber sicherlich stimmt: Spätestens nach dem Fall der Mauer 1989 stellte sich ein Eindruck ein, nun seien solche Gefahren tatsächlich gebannt. Aber es zeigte sich schon bald, wie die Realität aussieht: Denken wir an den Krieg in den Neunzigerjahren im ehemaligen Jugoslawien mitten in Europa, mit Völkermord, Vertreibungen und Kriegsverbrechen

Aber hat die deutsche Politik zu lange diese Realitäten ignoriert?

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Ich habe jedenfalls 2021 im Wahlprogramm zur Bundestagswahl die Außenpolitik ganz bewusst nach vorne gestellt. Da ging es schon um das 2-Prozent-Ziel für die Nato. Oder um einen Nationalen Sicherheitsrat, mein Vorschlag, der ja bis heute nicht umgesetzt worden ist. Aber im Bundestagswahlkampf wollte das niemand hören. Da wurde in den Fernsehduellen über vieles, auch Banales gestritten. Damals hatte der russische Angriffskrieg noch nicht begonnen. Aber das Bedrohungsszenario war durchaus schon zu erkennen. 

Sie würden Friedenspolitik vermutlich von bloßem Pazifismus abgrenzen. Wo liegen für sie die Unterschiede?

Wenn wir auf die aktuelle Debatte schauen, wundere ich mich, dass die, die sich selbst als Pazifisten bezeichneten, sich jetzt besonders militaristisch geben. Kaum einer fordert so viele Panzer und Marschflugkörper wie die Grünen. In diesem Krieg ist mit Russland der Aggressor eindeutig. Unser Ziel muss sein, die Ukraine so stark zu machen, dass sich selbst verteidigen kann. Aber wir müssen auch darauf achten, dass die NATO nicht selbst als Akteur mit hineingezogen wird. Mittlerweile entsteht in der Öffentlichkeit aber manchmal der Eindruck als gelte: Je mehr Waffen wir liefern, umso schneller ist dieser Krieg zu Ende. Das halte ich nicht für zu Ende gedacht. Und wir müssen sehen, das hat sich auch im Zuge des G20-Gipfels gezeigt: Der Rest der Welt denkt ja anders als wir. Unser Ziel muss hier sein: Wir müssen mehr Verbündete finden. Im Übrigen hätte ich ähnlich besonnen und abwägend gehandelt wie der Bundeskanzler. 

"Mittlerweile entsteht in der Öffentlichkeit manchmal
der Eindruck als gelte: Je mehr Waffen wir liefern,
umso schneller ist dieser Krieg zu Ende.
Das halte ich nicht für zu Ende gedacht"

Es gibt Kritik, dass in der öffentlichen Debatte zu sehr ein „Feindbild Russland" geschürt werde. Wie sehen Sie das?

Es steht ganz eindeutig fest, dass Russland der Aggressor ist. Aber es ist klar: Wenn es darum gehen wird, eine Nachkriegsordnung zu schaffen, dann wird Russland daran beteiligt sein müssen, so schwer es fällt.

Heute findet in Münster eine Friedenskonferenz statt, deren Leiter Sie sind. Welcher Ansatz steht dahinter?

Der konkrete Anlass ist der Westfälische Friede von Münster, der vor 375 Jahren geschlossen worden ist. Die Initiative zu der Veranstaltung, die künftig jährlich stattfinden soll, ging von einem Zusammenschluss von Unternehmern aus Westfalen und Lippe aus. Bisher wurde schon immer ein Westfälischer Friedenspreis verliehen, den 2024 der französische Staatspräsident Macron erhalten wird. Wir wollen die große historische Wirkung des Westfälischen Friedens und dessen Bedeutung für das internationale Völkerrecht vor Augen führen. Damals wurde eine neue Rechtsordnung geschaffen, die bis in die Charta der Vereinten Nationen weitergewirkt hat. Es geht um eine regelbasierte internationale Ordnung.

Sie sind bekennender Katholik. Wie schauen Sie auf die Äußerungen der Kirche angesichts des Krieges?

Der Papst ist ja sehr engagiert in dieser Frage und hat auch viel Wichtiges gesagt. Aber von der Kirche in Deutschland würde ich mehr erwarten: Sie ist offensichtlich zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Das habe ich schon bei Corona bedauert. Wir diskutieren zu sehr innerkirchliche Themen, geben aber den verunsicherten Menschen keine Orientierung. 

Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Gibt es Momente, in denen Sie denken, eigentlich doch ein Glück, dass in dieser schwierigen Zeit der Kelch der Kanzlerschaft an mir vorübergegangen ist?

Natürlich verfüge ich jetzt über sehr viel mehr Freiheit. Und das ist für den persönlichen Bereich natürlich gut. Aber für jemanden, der Politiker ist, der gestalten will, stellt sich diese Frage so nicht. Ich hätte gerne mit meinen Überzeugungen das Land regiert, so wir dies erfolgreich in Nordrhein-Westfalen gezeigt haben.

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