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Wenn Seelsorge zur Sorge um die Seele wird

Die Flut machte auch vor Kirchen und Gotteshäusern nicht Halt. Doch die wenigsten Kirchenvertreter hatten Zeit, die Schäden zu begutachten. Die Seelsorge in den betroffenen Gebieten kommt jetzt einer Mammutaufgabe gleich.
Nach dem Unwetter in Rheinland-Pfalz
Foto: Thomas Frey (dpa) | Hilfsgüter stehen in der Kirche St. Nikolaus und Rochus für Flutopfer zur Abholung bereit. Tagelang waren die Einwohner von Mayschoß an der Ahr nach der Flut von der Außenwelt abgeschnitten.

Inmitten von Müllsäcken und Plastiktüten voller Schlamm liegt ein soeben vom gröbsten Schmutz befreites kleines Kruzifix mit einer fein gearbeiteten Bronzeplastik des gekreuzigten Gottessohns. Natürlich machte die Flut auch vor Kirchen und Gotteshäusern nicht Halt, das Wasser stand teilweise Meter hoch und riss mit, was es mitreißen konnte. So steht der bronzene Jesus am Kreuz für hunderte Kunstobjekte, Skulpturen, Bilder und Bücher, die von der Flut schwer beschädigt oder unwiederbringlich verloren und zerstört wurden.

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Was nach dem Aufräumen kommt

Doch Zeit, Schäden an Kirche und Gemeindehäusern zu begutachten, nahmen sich die wenigsten kirchlichen Vertreter der betroffenen Regionen in den vergangenen Wochen. Denn Priester und Pfarrer müssen jetzt für ihre Gemeinden da sein und das mehr denn je. Die ersten Tage nach der Flutkatastrophe hieß es für die meisten Opfer zunächst, stumpf zu funktionieren, Schlamm und Schutt mussten beseitigt werden. 

Doch was kommt jetzt, wo es immer weniger aufzuräumen gibt? Jetzt, wo sich bei den meisten Opfern erst das ganze Ausmaß der Katastrophe zeigt. Wo sich die Hoffnung mancher, zurückkehren zu dürfen ins eigene Zuhause, zerschlägt, weil ihr Heim zwar der Flut standhielt, jetzt aber aus Sicherheitsgrünen abgerissen werden muss. 

Menschen, die mit einem Schlag obdach- und arbeitslos wurden, die Familienmitglieder und ihre über Jahrzehnte aufgebaute Existenz verloren haben, einen Weg aus dieser aussichtlosen Lage zu zeigen und ihnen Hoffnung zu geben, stellt kirchliche Seelsorger und psychologische Beratungsdiente vor eine Mammutaufgabe. Eine Aufgabe, die Monate, wenn nicht Jahre dauern wird. Denn die Menschen der betroffenen Regionen brauchten vor allem dann, wenn die erste Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft abebbt und die zugesicherten Hilfen nicht ganz so schnell ankommen wie geplant, Beistand und Unterstützung. Nur mit viel Einfühlungsvermögen, Geduld und Verständnis wird es den Seelsorgern gelingen, die verletzen Seelen der Opfer nicht zu heilen, aber ihren Schmerz ein wenig zu lindern.

Gemeinsam innehalten und trauern

Gemeinsam innehalten und trauern ist ein erster wichtiger Schritt, um mit der Verarbeitung des Erlebten zu beginnen. Gelegenheit, um gemeinsam zu trauern, bieten verschiedene meist ökumenische Gedenkgottesdienste wie am vergangenen Freitag in der Herz-Jesu Kirche in Euskirchen. 

„Die Flutkatastrophe hat Menschenleben ausgelöscht und Existenzen zerstört. Die vielen Toten, die Trauernden und alle, die jetzt vor den Trümmern ihrer Existenz stehen, sollen nicht vergessen sein“, so die Erklärung von Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), und Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Ende Juli. Mit einem ökumenischen Gottesdienst werden sie gemeinsam mit den in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) zusammengeschlossenen Kirchen am 26. August im Aachener Dom der Opfer der Flutkatastrophe gedenken.

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