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Was ist ein „Femizid“? – Wie sich ein feministischer Kampfbegriff in den Medien ausbreitet

Der Begriff „Femizid“ wird immer öfter von Politikern und in den Medien verwendet. Nun erklärt die Philosophin Bérénice Levet im Figaro, weshalb sie diesen aus der „Bibel des Feminismus“ stammenden Terminus – der den Mord an einer Frau durch ihren Mann bezeichnen soll – nicht verwendet.
"Femizid"- was ist das?
Foto: Ailen Diaz (Agencia Uno) | Der Begriff "Femizid" stammt aus der Werkstatt für feministisches Neusprech und wird inzwischen zu wahllos benutzt, kritisiert die Philosophin Bérénice Levet im Figaro.

In letzter Zeit hätten sich die Dinge eindeutig überstürzt, schreibt die Philosophin Bérénice Levet im Figaro. Es sei nunmehr davon auszugehen, dass ein Mann, der seine Ehefrau, seine Ex Ehefrau, seine Partnerin oder Ex-Partnerin tötet, einen „Femizid“ beginge. Nachdem das berühmte Wörterbuch der französischen Sprache „Le Robert“ das Wort bereits vor mehreren Jahren aufgenommen hat, „inthronisiert“ die neueste Ausgabe des „Larousse“ nun ebenfalls „diese im Arsenal der feministischen Militanz geschmiedete Vokabel. Dieses Wort hat allerdings nichts Neutrales. Es ist von Ideologie durchdrungen und transportiert eine Interpretation der Realität. Es zu übernehmen hieße, eine bestimmte Erzählung, einen bestimmten Handlungsablauf zu billigen“.

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Sprache der Feministen

Dass der Mord an einer Frau, so Levet weiter, ein „absolutes Übel“ sei, stehe nicht zur Diskussion. Doch die Sprache der Feministen sei bereits in den Rang der offiziellen Sprache erhoben worden, sie habe „eine exorbitante Autorität und Legitimität“ erlangt. Dennoch stehe „die Realität auf dem Spiel, und sie allein muss unser Lehrmeister sein“. Denn was heißt es eigentlich, wenn man von „Femiziden“ spricht? Levet zitiert dazu den entsprechenden Eintrag aus dem Larousse: „Mord an einer Frau oder eines jungen Mädchens aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht“. Diese Wortneuschöpfung sei tatsächlich schon in den siebziger Jahren kreiert worden, um zu besagen, dass Frauen aus dem Grund getötet werden, weil sie Frauen sind. Doch, so erläutert Levet, „der Mann, der seine Gefährtin oder seine Ex-Gefährtin tötet, bringt nicht eine Frau um – er tötet seine Frau, er tötet die Frau, mit der er zusammenlebt oder mit der zusammengelebt hat, mit der er vielleicht auch Kinder hat. Ein Femizid wäre es, wenn irgendein Mann oder irgendwelche Männer gemeinsam eine Gruppe von jungen Mädchen oder von Frauen in ihre Gewalt brächten und aus dem einzigen Grund töteten, dass sie als Frau geboren waren“.

Verlust der Singularität

Doch indem der Begriff Femizid auf jeglichen Mord an einer Frau angewandt werde, „verliert das Opfer jegliche Singularität, jegliche Einzigartigkeit, jegliches Gesicht. Sie ist nicht mehr eine Frau mit ihrer Persönlichkeit, sie ist nicht mehr ein Wesen aus Fleisch und Blut, sie wird damit zur Vertreterin einer Spezies, einer Allgemeinheit“. Damit werde genau der gegenteilige Effekt erreicht: „Das Opfer wird seiner persönlichen Identität beraubt“.

Dass der Begriff von den Feministen „mit einer derartigen Inbrunst und Hartnäckigkeit verteidigt“ werde, geschehe Levet zufolge aus zwei Gründen: man wolle den Terminus „Homizid“ auf Opfer des männlichen Geschlechts beschränken und einen äquivalenten Begriff für die Frauen durchsetzen: „den Mord an einer Frau von einer individuellen Tat in den Rang eines ‚gesellschaftlichen Phänomens‘ erheben und damit die Struktur selbst unserer Zivilisationen inkriminieren“. Denn warum töte ein Mann - laut den Feministen - seine Frau oder Exfrau? „Weil, so antworten die Aktivisten, denen sich unsere Politiker und die Mehrheit der Journalisten fügsam anschließen, unsere Gesellschaften ‚patriarchal‘ sind und es so lange bleiben werden, bis wir nicht überall den Frauen den Vortritt gelassen haben werden“. Die abendländische Gesellschaft werde von den Feministen, so meint Levet, als „breit angelegtes Unterfangen“ angesehen, Opfer zu produzieren – „natürlich die Frauen, aber auch die ‚Minderheiten‘ und die ‚Diversität‘. Die Zivilisation des Abendlandes als Werk eines heterosexuellen christlichen oder jüdischen weißen Mannes hat keine andere Leidenschaft als die Beherrschung all dessen, was nicht sie selbst ist (also Frauen, Schwarze, Muslime, Tiere und Pflanzen)“. 

Aktivistenvokabular

Dass der Begriff „Femizid“ seinen Platz im Vokabular der Aktivisten hat, sei deren Sache. Dass die Mehrheit der Journalisten, resümiert Levet, „ihn übernehmen, ist jedoch fragwürdig“. Wir hätten es hierbei mit einem „bemerkenswerten Beispiel“ dafür zu tun, „wie der feministische Neusprech die Sprache des Alltags unterwandert – unter der eifernden Beihilfe von Politikern und der Mehrheit der Medien. Und der von den Aktivisten angestrebte toxische Effekt ist es, die Männer in ihrer Gesamtheit zu kriminalisieren und zudem den Verdacht auf die Heterosexualität zu lenken: die Begegnung zwischen einem Mann und einer Frau, wobei der Mann in der neofeministischen Logik das ist, was er eben ist, ist stets anfällig dafür, sich in eine Tragödie zu verwandeln“. DT/ks

 

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