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Union läuft gerade im SPD-Modus

Kandidatendiskussionen bis kurz vor Toresschluss kannte man bisher nur von der SPD. Die Union hadert immer mehr mit ihrem Kandidaten Laschet, in Wirklichkeit hadert sie aber mit sich selbst.
Klausur der Spitzen von CDU und CSU
Foto: Kay Nietfeld (dpa) | Armin Laschet und Markus Söder wer soll es am Ende machen? Kandidatendiskussionen bis kurz vor Toresschluss kannte man bisher nur von der SPD.

Ausufernde Personaldiskussionen, auch um den Preis dadurch Wähler zu verprellen. Das kannte man bisher von der SPD. Doch auch in dieser Hinsicht scheint die Union „sozialdemokratisiert“. Soll Laschet seine Kanzlerkandidatur an Söder abtreten? Nach einer Umfrage von Civey sind 70 Prozent der Anhängerschaft dafür. Und auch einzelne Wortmeldungen aus der Partei sind in dieser Richtung zu deuten. So hatte die Vorsitzende des konservativen „Berliner Kreises“, die Düsseldorfer Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel, schon vor einigen Tagen mahnende Worte an Laschet gerichtet und ihn aufgefordert, er solle sich überlegen, wie es weitergehen solle. Und aus Bayern gibt es sowieso  immer wieder fein dosierte Seitenhiebe.

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Sinnlose Debatte

Letztlich sind solche Debatten aber völlig virtuell. Niemand wird schon aus wahlkampfpraktischen Gründen kurz vor Toresschluss ernsthaft in Erwägung ziehen, den Kanzlerkandidaten auszuwechseln. Zumal Markus Söder auch gar nicht zur Verfügung stehen würde.

Die Debatte gibt trotzdem einen Einblick in das Seelenleben der Partei: Die Union weiß nicht mehr wirklich, wer sie ist. Der Ärger über die Performance-Schnitzer, die Laschet unterlaufen sind, sind eine Projektion. Angela Merkel hat eine Partei hinterlassen, die nicht mehr weiß, was die einzelnen Strömungen außer dem gemeinsamen Willen zum Machterhalt wirklich miteinander verbindet. Und wenn die Option auf die Macht, vor sechs Wochen schien sie noch sicher, schwindet, kämpft plötzlich jeder nur noch für sich selbst. So bleibt man nicht Volkspartei.

Besonnen ins Amt

Laschet übrigens hat durchaus Sensibilität für die Bedürfnisse der unterschiedlichen Flügel gezeigt und keineswegs nur die Klientel bedient, die ihn auf dem Parteitag gewählt hat. Und auch sonst ist beachtlich, dass der Kandidat, trotz aller Häme, die ihm entgegenschlägt, ruhig bleibt. Das könnte ihm am Ende dann doch noch den Weg ins Kanzleramt bahnen. Denn viele bürgerliche Wähler könnten erkennen, Performance hin oder her, sicher verhindern kann  Rot-Grün-Rot nur eine starke Union.  

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