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Suizidhilfe: Schon wieder eine Scheinlösung

Abgeordnete stellen ersten interfraktionellen Gesetzentwurf zur Suizidhilfe vor – Wichtiger Bestandteil: ein weiterer Beratungsschein.
Neuregelung der Suizidhilfe
Foto: Victoria Bonn-Meuser (dpa) | „Einen gegen die Autonomie gerichteten Lebensschutz kann und darf es nicht geben“, sagte Helling-Plahr bei der Vorstellung des Entwurfs.

Die Bundestagsabgeordneten Katrin Helling-Plahr (FDP), Karl Lauterbach (SPD) und Petra Sitte (Die Linke) haben heute in Berlin den ersten interfraktionellen Gesetzentwurf zur Neuregelung der Suizidhilfe vorgestellt. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Ärzte volljährigen Sterbewilligen todbringende Präparate verschreiben können sollen, wenn diese sich zuvor in einer staatlich anerkannten Beratungsstelle haben beraten lassen.

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„Einen gegen die Autonomie gerichteten Lebensschutz kann und darf es nicht geben“, sagte Helling-Plahr bei der Vorstellung des Entwurfs. Tatsächlich lautet § 1 (Recht auf Hilfe zur Selbsttötung) des Gesetzentwurfs: „Jeder, der aus autonom gebildetem, freiem Willen sein Leben beenden möchte, hat das Recht hierbei Hilfe in Anspruch zu nehmen.“

§ 2 regelt das „Recht zur Hilfeleistung“. Nach Absatz 1 darf „jeder (...) einem anderen, der aus autonom gebildetem, freiem Willen sein Leben beenden möchte, Hilfe leisten“. Absatz 2 stellt klar, dass niemand „verpflichtet werden“ kann, „Hilfe zur Selbsttötung“ zu leisten. Absatz 3 verbietet, jemandem „aufgrund seiner Berufszugehörigkeit“ die Beihilfe zur „Selbsttötung“ zu untersagen und richtet sich gegen standesrechtliche Vorschriften, mit denen die Mehrheit der Landesärztekammern Ärzten bislang die Vornahme von Suizidhilfe verbieten.

Länder sollen „plurales Beratungsangebot“ sicherstellen

§ 3 definiert den „autonom, gebildeten freien Willen“. Dieser setze „die Fähigkeit voraus, seinen Willen frei und unbeeinflusst von einer akuten psychischen Störung bilden und nach dieser Ansicht handeln zu können“. Dabei sei davon auszugehen, „dass eine Person regelmäßig erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres die Bedeutung und Tragweiter einer Suizidentscheidung vollumfänglich erfassen vermag“. Ferner müssten dem Suizidwilligen „alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte bekannt“ sein und „sämtliche Informationen“ vorliegen, die „ihn befähigen, auf einer hinreichenden Beurteilungsgrundlage realitätsgerecht das Für und Wider abzuwägen.“ Dies setzte „insbesondere voraus, dass der Suizidwillige Handlungsalternativen zum Suizid kennt, ihre jeweilige Folgen bewertet kann und seine Entscheidung in Kenntnis aller erheblichen Umstände und Optionen“ treffe.

Dafür soll die in § 4 geregelte Beratung sorgen. Sie ist „ergebnisoffen“ zu führen und soll „unentgeltlich“ erfolgen. Laut Absatz 4 können Suizidwillige dabei „gegenüber der sie beratenden Person“ auf Wunsch „anonym bleiben“. Erfolgen soll die Beratung durch staatliche anerkannte Beratungsstellen. § 5 des Gesetzentwurfes schreibt hierzu den Länder vor, „ein ausreichend plurales Angebot an wohnortnahen Beratungsstellen sicherzustellen“. „Nach Abschluss der Beratung“ hat die Beratungsstelle „der beratenen Person eine mit Namen und Datum versehene Bescheinigung darüber auszustellen, dass eine Beratung stattgefunden hat“.

Verschreibung tödlicher Substanzen gegen Vorlage von Beratungsschein

Mit dem Beratungsschein soll der Suizidwillige dann bei einem Arzt vorstellig werden. „Durch Vorlage der Bescheinigung“ habe sich der Arzt „nachweisen zu lassen, dass sich die suizidwillige Person höchstens acht Wochen zuvor in einer Beratungsstelle hat beraten lassen“. Sind „zehn Tage seit der Beratung vergangen“, dürfe der Arzt „von einer gewissen Dauerhaftigkeit und inneren Festigkeit des Sterbewunsches“ ausgehen und kann dem Suizidwilligen „ein Arzneimittel zum Zwecke der Selbsttötung“ verschreiben.

§ 6, Absatz 2 verpflichtet den Arzt, „den Suizidenten mündlich und in verständlicher Form über sämtliche für die Selbsttötung wesentlichen medizinischen Umstände“, wie den „voraussichtlichen Ablauf der Selbsttötung“ und die „Risiken der medizinischen Methode“ aufzuklären.

Absatz 6 ermächtigt das Bundesgesundheitsministerium „durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates“ Näheres zu regeln, wozu neben „den Anforderungen an die fachliche Qualifikation der Ärzte“ auch die „Vergütung der Hilfe zur Selbsttötung“ zählt. § 7 verpflichtet schließlich die Bundesregierung jedes Jahr einen Bericht vorzulegen, der Auskunft über die vorgenommenen Beratungen und Verschreibungen gibt. Alle drei Jahre soll die Bundesregierung das Gesetz auf dessen Wirksamkeit überprüfen.

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Stefan Rehder Bundestagsabgeordnete Deutscher Bundesrat Die Linke FDP Karl Lauterbach SPD Suizidhilfe

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