Was die Beschäftigten in für systemrelevant erachteten Branchen derzeit erführen, sei „eher Aufmerksamkeit, als echte Wertschätzung“, kritisiert der katholische Sozialethiker Elmar Nass im „Thema der Woche“ der am Donnerstag erscheinenden Print-Ausgabe der „Tagespost“. So würden Pflege- und Rettungsdienste zwar „als wichtig und notwendig“ angesehen, „gelten jedoch als unattraktiv“.
Politische Show statt Wertschätzung von Beruf und Menschen
Der katholische Priester, der an der Wilhelm-Löhe-Hochschule in Fürth Wirtschafts- und Sozialethik lehrt, bemängelt: die hohen Abbrecherzahlen in den Pflegeberufen. „Offenbar werden viele, die etwa mit hohen sozialen Idealen in den Beruf einsteigen, schnell desillusioniert.“ Aus Sicht der Betroffenen sei der Balkon-Applaus eine „verlogene Nettigkeit“. Auch die intransparente Regelung der Bonuszahlungen sei ein weiteres „Indiz dafür, dass es auch hier nur um politische Show, aber nicht um ehrliche Wertschätzung von Beruf und Menschen gehe“.
Viel zu wenig im politischen Fokus sei die Frage: „Wie können wir etwa ausgebildete Pflegekräfte halten?“ Im Blick auf die Zukunft einer älter werdenden Gesellschaft dürften dabei nicht alle Last einfach auf Heime oder Krankenhäuser abgewälzt werden. Auch „Familien, in denen so unglaublich viel an liebevoller Pflege geleistet wird“, müssten „gesellschaftliche Unterstützung“ erfahren, fordert Nass.
Mitarbeiter sind keine anonymen Humanressourcen
„Der sichere Arbeitsplatz als die Regel“ sei längst „auf dem Altar der viel gepriesenen Flexibilität und Mobilität geopfert“ worden. Umso mehr brauche es „eine führungsethische Qualifizierung in allen Bereichen der Gesellschaft“. Diese müsse „die Ziele der Wirtschaftlichkeit und der Menschendienlichkeit gleichermaßen im Blick haben“, so Nass. Mitarbeiter müssten dem Prinzip der Leistungsgerechtigkeit entsprechend gefordert und bewertet werden. Auch die öffentliche Hand müsse wirtschaftlich agieren und dürfe nicht bedingungslose Jobgarantien aussprechen, wenn die Kassen leer sind. „Andererseits dürfen Mitarbeiter niemals als anonyme Humanressourcen angesehen werden, die nur an ihrem Output gemessen werden.“
Verantwortliche Führung müsse „in jedem Mitarbeiter den ganzen Menschen mit all seinen Stärken, Schwächen, Freuden und Sorgen sehen“. Stets müsse es „auch darum gehen, diesen Menschen dabei zu helfen, sich mit ihren Talenten zu entfalten und tugendhaft zu reifen.“ Gute Führung muss in diesem Sinne humanistisch sein! Das christliche Menschenbild ist dafür die beste Begründung“, so Nass. DT/reh
Das vollständige Interview, das Tagespost-Korrespondent Stefan Rehder mit Professor Nass geführt hat, finden Sie in der aktuellen Print-Ausgabe der Tagespost.