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Roter Kulturkampf

Der Laschet-Vertraute Nathanael Liminski wird in einem SPD-Wahlspot angegriffen, weil er katholisch ist. Wo bleibt der Aufschrei? Jetzt wäre Solidarität der Katholiken gefragt – vom ZdK bis zu den Bischöfen.
Präsentation der SPD-Bundestagswahlkampagne
Foto: Kay Nietfeld (dpa) | Lars Klingbeil, SPD Generalsekretär, stellt in einem Kinosaal die Kampagne der SPD für die Bundestagswahl vor.

Eine russische Matroschka, eine große Puppe, in der viele kleine stecken. Die große Puppe hat das Gesicht von Armin Laschet. Die kleinen Puppen sehen so aus wie die Politiker, die für die aus Sicht der SPD-Wahlkämpfer gefährlichen Positionen stehen, die man alle mitwähle, wenn man bei der Union sein Kreuz mache. Erst kommt Friedrich Merz, der nur die Reichen im Blick habe, dann Hans-Georg Maaßen, der die CDU nach rechts rücke, später kommen noch Andreas Scheuer und Jens Spahn zum Einsatz. Dazwischen Nathanael Liminski, Chef der NRW-Staatskanzlei und enger Vertrauter des Kanzlerkandidaten. Dazu die Stimme aus dem Off:  Wer die CDU wähle, wähle „erzkatholische Laschet-Vertraute für die Sex vor der Ehe ein Tabu ist“. 

Nicht erzkatholisch, einfach nur katholisch

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Liminski, der als Student die „Generation Benedikt“ gegründet hat, hat während seiner ganzen politischen Karriere aus seinem katholischen Glauben keinen Hehl gemacht. Er ist nicht erzkatholisch – das gibt es nämlich überhaupt nicht - er ist einfach nur katholisch. Ist das verboten? Ist das gefährlich? Hallo, SPD, seid ihr im 19. Jahrhundert steckengeblieben und wollt gerne „Kulturkampf“ spielen? Schon mal was von Böckenförde gehört? „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann“, lautet der berühmte Satz von Ernst-Wolfgang Böckenförde, übrigens SPD-Mitglied. Er wird seit Jahrzehnten in jeder Rede, die irgendwo im Land zum Verhältnis von Staat und Kirche gehalten wird, rauf und runter buchstabiert. Auch von SPD-Politikern.

Doch offenbar wird der Satz zumindest im Willy-Brandt-Haus nicht verstanden. Unser Staat, der selbst weltanschaulich neutral ist, braucht Menschen, die aus ihrer eigenen Glaubensüberzeugung oder Weltanschauung heraus dazu angetrieben werden, sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Wie die Religionsgemeinschaften und Weltanschauungen intern ihre Grundsätze bestimmen, ist Sache nur dieser Gemeinschaften und geht den Staat nichts an. Die einzige Ausnahme: Diese Auffassungen dürfen nicht darauf abzielen, diese freiheitlich-säkularisierte Staatsordnung aktiv anzugreifen oder aufzulösen.

Die SPD setzt auf den Kulturkampf-Hammer

Dass Nathanael Liminski einen anderen Staat wolle, ist eigentlich nicht bekannt. Also: Die SPD-Wahlstrategen sind entweder dumm, weil ahnungslos. Oder, was die erschütternde Alternative, aber auch die wahrscheinliche ist: Sie setzten wider besseres Wissen auf den Kulturkampf-Hammer. Das darf man den Sozialdemokraten, die sonst ständig von Respekt reden, nicht durchgehen lassen.

Doch bis jetzt ist von einem Aufschrei des katholischen Deutschlands nicht zu hören. Wo sind die Erklärungen des ZdK oder Statements von Bischöfen? Und in der SPD selbst dürfte es ja auch noch Katholiken geben. Wer mit einer Reaktion noch zögert, sollte bedenken, hier wird jemand nicht nur angegriffen, weil er katholisch ist, sondern weil er offen zeigt, dass seine Glaubensüberzeugung für sein politisches Handeln prägend ist. Hier sollten auch andere Religionsgemeinschaften aufhorchen. 

In der Krise zeige sich der Charakter, hat SPD-Übervater Helmut Schmidt einst gesagt. Dass die SPD im Moment in einer Krise ist, zeigt ein Blick auf die Umfragen. Und die Sache mit dem Charakter hat sich jetzt auch geklärt.

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Sebastian Sasse SPD

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