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Rod Dreher: „Der Wokismus ist ein sanfter Totalitarismus“

Der "Wokismus" werde zum Ursprung für einen neuen Totalitarismus, meint der amerikanische Autor Rod Dreher. In der französischen Tageszeitung "Le Figaro" ruft er Christen dazu auf, sich den drohenden Gefahren der heutigen Zeit zu widersetzen.
Rod Dreher warnt vor einem sanften Totalitarismus
Foto: Ludek Perina (imago stock&people) | Rod Dreher warnt im Interview mit dem Figaro vor einem sanften Totalitarismus.

In einem Gespräch mit dem Figaro legt der amerikanische Journalist und Schriftsteller Rod Dreher die Wurzeln eines drohenden „sanften Totalitarismus“ dar. Beim schlichten Autoritarismus, so bemerkt er, habe der Staat wie im Fall der Diktatur das Monopol auf die politische Kontrolle. Eine totalitäre Gesellschaft versuche hingegen, „alle früheren Traditionen und Institutionen umzufunktionieren, um sämtliche ihrer Wesensmerkmale zu kontrollieren“. Ein totalitärer Staat sei daher ein Staat, der danach trachte, „die Wirklichkeit zu definieren und zu kontrollieren, das heißt, er versucht, für Sie zu entscheiden, was die Wahrheit ist“.

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Gegen die Logik

In der Sowjetzeit habe der Totalitarismus zur Liebe zur Partei und zur Einhaltung ihrer Ansprüche verpflichtet. Heute indes „fordert der Totalitarismus die Ergebenheit gegenüber einer ganzen Reihe von progressiven Anschauungen, die mit jeglicher Logik unvereinbar sind. Die Kommunisten stellten sich beispielsweise nicht derartigen Wahrheiten entgegen, dass 2 + 2 = 4 seien; der derzeit grassierende Totalitarismus meint jedoch, dass es die Wirklichkeit nur im Geist gebe, sodass man durchaus vereinbaren könne, dass 2 + 2 = 5 seien“.

Sanfte Hülle

Diesen Totalitarismus der Linken bezeichnet Dreher als „soften Totalitarismus“, weil es ein sanfter Totalitarismus sei, „er verspricht, einen inneren Durst zu stillen, für eine gerechtere Gesellschaft zu kämpfen und sie zu verteidigen, die die Opfer der Geschichte von der Unterdrückung befreien und sie schützen soll. Er schmückt sich besonders mit Liebenswürdigkeit und Güte, während er Abtrünnige gleichzeitig dämonisiert, um die Gefühle von ‚Opfern‘ zu schonen und der ‚sozialen Gerechtigkeit‘ den Weg zu bereiten“. So übernähmen die „Krieger der sozialen Gerechtigkeit“, die unter der Bezeichnung „Social Justice Warriors“ bekannt sind, schließlich „eine aggressive Bestrafungspolitik, die dem Bolschewismus ähnelt“.   Es sei zwar leicht, den Aufstieg des Totalitarismus zu ignorieren; dies geschehe jedoch häufig, weil es einem schwerfalle, zu verstehen, wie er funktioniert, erklärt Dreher. Viele Konservative von heute „tun sich schwer damit, den Ernst dieser Bedrohung zu erfassen“, und tun sie lediglich mit dem Begriff der ‚politischen Korrektheit‘ ab. Diese Formulierung sei zwar abwertend, aber doch „überholt, um auf das hinzudeuten, was man als ‚Wokismus‘ bezeichnet“.

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Drohender Ausschluss

Die Bedrohung dieser neuen Ideologie laste, so meint Dreher, auf jedem einzelnen von uns. Heute könnten all diejenigen, die der Linie der Partei ‚Woke‘ nicht folgten, ihr Geschäft, ihre Karriere und ihren Ruf verlieren: „Sie werden aus der Öffentlichkeit ausgeschlossen und als rassistisch, sexistisch, homophob etc. stigmatisiert, ja sogar verteufelt. Dies kann mehrere Formen annehmen, etwa die der cancel culture. Wenn man in den Vereinigten Staaten der Auffassung des Antirassismus nicht zustimmt, wird man gesellschaftlich inkriminiert. Wenn man die Transgender-Ideologie nicht akzeptiert, wird man aus Institutionen ausgeschlossen. Natürlich gibt es keinen Gulag und keine Geheimpolizei, dennoch handelt es sich dabei um einen Totalitarismus, da man – um sein Leben in der Gesellschaft zu bewahren – seine Konflikte mit der aufgezwungenen Ideologie verschweigen muss“.

Eine dekadente Vorliebe

Dreher schreibt weiter: „Was in den Vereinigten Staaten passiert, kann auch in Frankreich geschehen. Man sieht, wie diese Ideologie vorankommt, da die Radikalsten den Marsch durch die Institutionen antreten. Diese geistige Macht wird in staatlichen und privaten Einrichtungen in die Tat umgesetzt, in den Unternehmen, im universitären Milieu sowie in den Medien“. Dieser Totalitarismus sei umso „heimtückischer“, als er von offizieller Seite nicht als Unheil bezeichnet werde. Der „Wokismus“ beute die „dekadente Vorliebe des modernen Menschen für die persönlichen Genüsse statt für die wesentlichen Grundsätze, wie etwa die politischen Freiheiten, aus. Das Volk stellt dem kommenden sanften Totalitarismus keinerlei Widerstand entgegen (wenn es ihn nicht sogar regelrecht unterstützt) – nicht deswegen, weil es befürchtete, man ließe es grausame Strafen erdulden, sondern weil es mit seiner hedonistischen Behaglichkeit mehr oder weniger zufrieden ist“. DT/ks

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