Ab 31. Dezember 2021 darf in Österreich beim Suizid (nach)geholfen werden. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat die Strafandrohung für jede „Hilfeleistung zum Selbstmord“ aufgehoben. Dass die „Tötung auf Verlangen“ und das „Verleiten“ zum Suizid strafbar bleiben, tröstet wenig: Das Tor zur Euthanasie ist weit aufgestoßen worden.
Druck auf Hochbetagte und Pflegefälle
Jetzt beginnt der Druck auf Hochbetagte, Pflegefälle und Lebensüberdrüssige. Nicht nur der direkte Druck durch Angehörige und die persönlichen finanziellen oder sozialen Umstände, auch der anonyme Druck seitens einer kälter gewordenen, materialistischen Gesellschaft. Was erlaubt ist, wird auch beworben werden: Suizidanten als Helden und Vorbilder, die ihren Kindern das Leben leichter machen und der Gesellschaft einen Gefallen tun?
Die Unbedingtheit des Rechts auf Leben wurde bereits mit der Abtreibungs-Gesetzgebung dekonstruiert. Jetzt sind die Alten, Schwerkranken und Vulnerablen dran – jene Menschen also, deren Schutz in der Corona-Krise so nachdrücklich eingemahnt wird. Die Verfassungsrichter haben eine Lücke in den Schutz dieser Personengruppe gerissen. Nun wird ihr eine zynischer werdende Gesellschaft den Suizid als letzte Freiheit ans Herz legen.
Höchstgericht macht Politik
Wieder einmal – wie bei der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare – hat in Österreich das Höchstgericht Politik gemacht. Wieder schafft ein Urteil des VfGH eine neue Faktenlage, die die Gesellschaft sowohl erschüttert als auch langfristig tief verändert. Die gewählten Politiker in Regierung und Parlament sitzen schweigend auf der Tribüne und überlegen, wie sie das von den Richtern geschaffene Chaos neu ordnen können.
Weitere Hintergründe zur Liberalisierung aktiver Sterbehilfe lesen Sie in der kommenden Ausgabe der Tagespost.