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Merkel: turbulentes Halbjahr

Deutschland steht vor einer hürdenreichen EU-Ratspräsidentschaft
Merkel vor einer Europafahne
Foto: Rainer Jensen (dpa) | Bundeskanzlerin Angela Merkel übernimmt im Herbst ihrer Kanzlerschaft ein letztes Mal die EU-Ratspräsidentschaft.

Ab 1. Juli hat ein vertrautes Damen-Duo alle Fäden der Europäischen Union in der Hand: In Brüssel regiert die deutsche EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, in Berlin ihre Freundin Angela Merkel. Sie übernimmt jetzt, im Herbst ihrer Kanzlerschaft, ein letztes Mal die EU-Ratspräsidentschaft. Von den beiden langjährigen Weggefährtinnen hängt in den nächsten sechs Monaten der Kurs der EU ab.

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Jetzt doch Schuldenunion

Die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen haben die Agenda der deutschen Ratspräsidentschaft verändert: Nun stehen nicht mehr Asylreform, Klimaschutz oder Digitalisierung an erster Stelle, sondern der wirtschaftliche Wiederaufbau Europas. Das Dogma, die EU dürfe nicht zur Schuldenunion werden, hat Merkel im Gleichschritt mit Macron über Bord geworfen. Weil die exportorientierte deutsche Wirtschaft ihre Absatzmärkte braucht, vor allem aber, um eine Spaltung der EU in Nord-Süd zu verhindern. Mit ihrem Ja zur gemeinschaftlichen Schuldenaufnahme hat Merkel sich die Sympathie der spanischen wie der italienischen Regierung gesichert, die so an billiges Geld kommen. Die Zustimmung der „sparsamen Vier“ (Österreich, Dänemark, Schweden, Niederlande) bekommt sie aber nur, wenn gesichert ist, dass europäische Milliarden nicht zur Deckung alter Staatsschulden missbraucht werden, und wenn es eine Gegenfinanzierung gibt.

"China beansprucht einen führenden Platz
in den existierenden Strukturen
der internationalen Architektur"

EU- China- Gipfel steht bevor

Da ist auch noch die Baustelle Brexit: Obwohl Großbritannien von Corona tragisch gebeutelt wird und im Krisenmodus festhängt, weigert sich London, die am 31. Dezember auslaufende Übergangsperiode zu verlängern. Wenn ein neues bilaterales Abkommen zwischen Großbritannien und der EU nicht bis Oktober ausgehandelt ist, kommt es mit dem Jahreswechsel zu Chaos in handels- und zivilrechtlichen Fragen. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft muss hier also aufs Tempo drücken.
Ein dramatischer Höhepunkt sollte der für 14. September in Leipzig anberaumte EU-China-Gipfel werden. Merkel sieht das europäische Verhältnis zu China als „außenpolitischen Schwerpunkt unserer EU-Ratspräsidentschaft“. Die Europäer müssten erkennen, „mit welcher Entschlossenheit China einen führenden Platz in den existierenden Strukturen der internationalen Architektur beansprucht“, referierte sie vor wenigen Tagen. „Wir sollten das aber nicht nur erkennen, sondern diese Herausforderung selbstbewusst annehmen.“ Auch da hat die Corona-Pandemie der Kanzlerin einen Strich durch die Rechnung gemacht. In der Vorwoche teilte Berlin mit, dass der EU-China-Gipfel verschoben wird.

Angespannt bleibt das Verhältnis zu Russland, das „in seiner unmittelbaren Nachbarschaft einen Gürtel ungelöster Konflikte geschaffen“ habe, wie die Kanzlerin formuliert. Sie will die Sanktionen gegen Präsident Putin und sein Umfeld beibehalten, solange es in der Ostukraine keine Fortschritte gibt.

 

DT/sba

 

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