„Die Trauer, die mit einer Fehlgeburt einhergeht, ist keine Krankheit, es ist ein Verlust. Dieser Verlust braucht Zeit – Zeit, um sich körperlich zu erholen und Zeit, um sich mental zu erholen; Zeit, um sich mit einem Partner zu erholen“, so die Labour-Abgeordnete Ginny Andersen bei der Präsentation des Gesetzesentwurfs, der Paaren drei Tage bezahlten Urlaub nach einer Fehlgeburt zuspricht. Damit hat die Abgeordnete den Nagel auf den Kopf getroffen: Der Verlust eines ungeborenen Kindes ist tragisch. Dass der Zeitpunkt der Fehlgeburt dabei nicht von Bedeutung ist, zeigt, dass die Regierung verstanden hat, dass es sich von Beginn an bereits um ein Menschenleben handelt – würde man meinen.
Abtreibungen werden nicht als Tod eines Ungeborenen gesehen
Abtreibungen sind von der Regelung jedoch ausgeschlossen – entlarvend für die paradoxe Sichtweise, dass es sich bei Abtreibungen offensichtlich nicht um den Tod eines ungeborenen Kindes handelt. Auch Andersen scheint Abtreibungen anders zu beurteilen als Fehlgeburten: Im Jahr 2019 stimmte die Abgeordnete für die Entkriminalisierung von Abtreibungen, womit Schwangerschaftsabbrüche bis zur 20. Schwangerschaftswoche legalisiert wurden. Mehr noch: Andersen setzt sich für eine weitere Lockerung der Gesetzgebung ein: Für Abtreibungen bis zur Geburt, wie es auf der neuseeländischen Webseite gegen Abtreibung „Voice for life“ heißt.
Menschenleben wird nur als wertvoll gesehen, wenn es gewollt ist
Dass eine Fehlgeburt als Trauerfall gilt, bei einer Abtreibung aber oft von „Entfernen von Gewebe“ oder „Zellhaufen“ gesprochen wird, zeigt, dass dem ungeborenen Leben das Menschsein völlig willkürlich zu- oder abgesprochen wird. Letztlich steht hinter dieser paradoxen Denkweise die Sicht, dass ein Menschenleben nur dann wertvoll ist, wenn es auch gewollt ist. Menschliches Leben ist aber zu jeder Lebensphase, unter allen Umständen schützenswert – ob erwünscht oder nicht. Höchste Zeit, dass die westliche Welt ihr Menschenbild überprüft.
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