Der Satz von der CDU als letzter verbliebenen Volkspartei ist altbekannt. Er fehlt in diesen Tagen in keiner der Parteitags-Analysen. Friedrich Merz hat dies nun vor zwei Tagen bei Markus Lanz um einen entscheidenden Gedanken ergänzt: Die CDU sei auch die letzte stabile christdemokratische Partei in Europa. Er hat Recht: Die große Innovation der Nachkriegszeit, die Gründung christdemokratischer Parteien überall in Westeuropa, scheint in der Tat mittlerweile ein Auslaufmodell geworden zu sein. Die italienische Democrazia Christiana, die immerhin fast fünf Jahrzehnte den Ministerpräsidenten stellte, ist schon ein Vierteljahrhundert Geschichte. Freilich zeigt der Blick nach Rom auch, wie schwer sich ein Parteiensystem wieder beruhigt, wenn es erst einmal seiner Mitte beraubt worden ist.. Die Italiener haben die Leerstelle bis heute noch nicht ausgefüllt.
Charismatischer Kanzler
Und Österreich, da läuft es doch anders? In der Tat regiert mit Sebastian Kurz und seiner ÖVP eine christdemokratisch geführte Regierung. Aber es regiert eben in erster Linie vor allem Kurz. Die Partei hat sich ganz auf ihren Kanzler hin ausgerichtet, bei der letzten Wahl trat man gar als "Liste Sebastian Kurz" an. Diese Flucht in die Arme des charismatischen Kanzlers scheint erfolgreich zu sein. Aber was ist, wenn Kurz einmal abtritt oder sein Charisma vielleicht nicht mehr ganz so strahlend ist, weiß die Partei dann noch, was die inhaltlichen Kernbotschaften sind?
Leitbild für Christdemokratie
Die CDU war seit ihrer Gründung ein Leitbild für die christdemokratische Bewegung insgesamt, auch über Europa hinaus etwa nach Lateinamerika. Das lag weniger an exzellenten Grundsatzpapieren über die Bedeutung des Christlichen Menschenbildes, es lag an dem praktischen Erfolg bei Wahlen. Ein Politik-Ansatz, der über Jahrzehnte die Kanzlerschaft sichert, überzeugt jeden Politiker. Die CDU hat über über Jahrzehnte eine wichtige Übersetzungsleistung erbracht: Die Soziale Marktwirtschaft oder auch der Einsatz für die europäische Einigung - das waren nicht irgendwelche Politprojekte, sondern sie standen in direktem Zusammenhang mit dem Blick der Partei auf den Menschen und damit mit dem "C". Ein Meister darin, dies zu kommunizieren war Helmut Kohl. Zwei Sätze in jeder Rede, die genügten ihm dafür - sie fehlten nie. Das ist heute ganz anders.
Ob Friedrich Merz mit seinem Satz bei Lanz andeuten wollte, dass er beabsichtigt, dies zu ändern? Wir werden es morgen in seiner Rede hören.
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