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Bestattungskultur im Wandel: Mal mit, mal ohne Sarg

Die Bestattungskultur ist im Wandel. Ein Überblick über die Regelungen in den Bundesländern.
Landtag debattiert über Sargpflicht
Foto: Maurizio Gambarini (dpa) | Nur noch in Sachsen und Sachsen-Anhalt besteht noch eine Sargpflicht. In Sachsen wird das Bestattungsgesetz aber gerade überarbeitet.

Vor rund 250 Jahren setzte sich der Sarg als übliches Bestattungsmittel in Deutschland durch. Nun wird die Sargpflicht in den einzelnen Bundesländern zunehmend gelockert, wie zuletzt in Bayern, oder ganz aufgehoben. Grund dafür ist, dass auch Mitbürgern muslimischen und jüdischen Glaubens Bestattungen nach ihren Traditionen ermöglicht werden sollen, wie André Preuschoff, Pressesprecher des Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege gegenüber der „Tagespost“ meint. Denn im Islam ist es üblich, Verstorbene nur in Leinentüchern zu bestatten. Da Tuchbestattungen allerdings nicht statistisch erfasst würden, kann kein Bundesland Auskunft darüber geben, wie viele Muslime bisher tatsächlich Tuchbestattungen in Anspruch genommen haben. Ein Blick auf die Bestattungsgesetze der Bundesländer zeigt, dass nicht nur der Sarg zusehends an Bedeutung verliert, sondern die gesamte Bestattungskultur im Wandel ist.

Sargpflicht aufgehoben

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Über die liberalsten Bestattungsgesetze verfügen Hamburg und Nordrhein-Westfalen: Hamburg schaffte 1998 als erstes Bundesland die Sargpflicht ab. Seit dem 1. März 2020 können in der Hansestadt außerdem Mensch-Tier-Bestattungen durchgeführt werden. Dafür werden separate Grabfelder angeboten, in denen die Urnen von Mensch und Tier zusammen beigesetzt werden können. Außerdem dienen Friedhöfe in Hamburg nun nicht mehr nur der Beisetzung von Verstorbenen, sondern auch der Erholung und „sozialen, kulturellen, gewerblichen und öffentlichen Zwecken“, wie es in dem neuen Bestattungsgesetz heißt.
Nordrhein-Westfalen folgte dem Hamburgs Beispiel im Jahr 2000 und schaffte die Sargpflicht ebenfalls ab, überlässt es allerdings den einzelnen Friedhofsträgern, ob diese Tuchbestattungen zulassen. Im nordrhein-westfälischen Wuppertal soll außerdem der bundesweit erste rein muslimische Friedhof entstehen. Dort soll auch das ewige Ruherecht seine Umsetzung finden, das vorschreibt, dass Gräber nicht neu besetzt werden dürfen. Verantwortung für die letzte Ruhestätte trägt der muslimische Friedhofsträgerverein, der aus den örtlichen Moscheen heraus entstand.

Doch nicht nur die verschiedenen Religionen sollen im Bestattungsgesetz von Nordrhein-Westfalen berücksichtigt werden, sondern auch die Bedürfnisse derer, die sich keiner Religion mehr zugehörig fühlen: So ist es im bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands mit Zustimmung der Ordnungsbehörde erlaubt, die Urne mit der Asche der Verstorbenen auch außerhalb eines Friedhofs aufzubewahren. Theoretisch könnte man die Urne also auch mit nach Hause nehmen, die Asche der Verstorbenen darf mit Genehmigung der Behörde auch außerhalb des Friedhofs verstreut werden, wenn der Beisetzungsort dauerhaft öffentlich zugänglich ist – der eigene Garten ist hier also keine Option.

Sargpflicht gelockert

Als eines der letzten Bundesländer lockerte der Freistaat Bayern die Pflicht, bei Erdbestattungen einen Sarg zu verwenden. Friedhofsträger haben nun zwar die Möglichkeit, Bestattungen in einem Leichentuch aus „religiösen und weltanschaulichen Gründen“ zuzulassen“, da die Sargpflicht allerdings der „gewachsenen christlichen Bestattungskultur“ entspreche, werde sie im Grundsatz auch künftig beibehalten, so Preuschoff. Die Gründe für eine Bestattung im Leichentuch seien im Einzelfall vorzubringen und zu prüfen.

Den Wunsch auf eine sarglose Bestattung mit finanziellen Aspekten zu begründen, reicht aber nicht aus. „Unabhängig davon nehmen wir an, dass eine Bestattung ohne Sarg im Leichentuch allenfalls unwesentlich günstiger sein dürfte als eine Erdbestattung im Sarg. Zwar werden die Kosten für einen Sarg gespart, dafür erfordert die Bestattung ohne Sarg im Leichentuch in der Regel einen größeren Personalaufwand.“ Ob und unter welchen Voraussetzungen die ewige Ruhe auf bayerischen Friedhöfen umgesetzt werden könne, müsse der Friedhofsträger entscheiden, meint Preuschoff.

Ähnlich ist die rechtliche Lage in Baden-Württemberg: Auch hier können seit 2014 Verstorbene in Tüchern bestattet werden - wenn ihre Religionszugehörigkeit es vorsieht. Anregung für eine Lockerung der Sargpflicht dort war unter anderem eine Expertenanhörung des  Sozial- und Integrationsausschusses zum Thema „Bestattungsformen anderer Kulturen und Religionen”, die zu der Erkenntnis geführt habe, dass der gesellschaftliche Konsens zunehmend durch eine Vielfalt der Kulturen und Religionen abgelöst würde.  Um die ewige Ruhe zu ermöglichen, bietet die Stadt Mannheim außerdem auch Gräber für eine Dauer von 50 anstatt der üblichen 15 Jahre an. Das Bundesland Hessen regelt den Umgang mit Tuchbestattungen etwas strenger: Dort sind sarglose Bestattungen nur in Ausnahmefällen erlaubt, wenn der Gemeindevorstand und das Gesundheitsamt dem zustimmen. Der Grünen-Fraktion geht diese Regelung nicht weit genug: Dass nur religiöse, aber keine weltanschaulichen Gründe bei der Regelung berücksichtigt werden und dass kein Anspruch auf eine Tuchbestattung gestellt werden kann, kritisiert die kommunalpolitische Sprecherin der Güne-Fraktion, Ellen Enslin.
Auch im Saarland und in Rheinland-Pfalz ist die sarglose Bestattung nur in Ausnahmen genehmigt.

Sargpflicht besteht weiter

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Die beiden letzten Bundesländer, die eine Sargpflicht weiterhin gesetzlich vorschreiben sind Sachsen und Sachsen-Anhalt. In Sachsen wird das Bestattungsgesetz aber derzeit überarbeitet, wie das sächsische Sozialministerium der „Tagespost“ auf Anfrage mitteilte. Die Aufhebung der Sargpflicht aus religiösen und weltanschaulichen Gründen solle dabei berücksichtigt werden. „Die Tuchbestattung soll, eine Mehrheit im Landtag vorausgesetzt, in Sachsen nicht verboten bleiben.“ Für die Überarbeitung des sächsischen Bestattungsgesetzes konnten die Bürger ihre Wünsche an das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt anonym senden.

Die meisten Personen hätten sich dabei für die Öffnung des Gesetzes für alternative Bestattungsmöglichkeiten, also für Bestattungswälder, Mensch-Tier-Bestattung und das Verstreuen der Asche ausgesprochen. Auch die Änderung der Bestattungs- und Ruhefristen habe eine zentrale Rolle gespielt. Da der Plan zur Aufhebung der Sargpflicht bereits angekündigt worden sei, habe diese in der Befragung nur noch eine untergeordnete Rolle gespielt.

Somit bleibt Sachsen-Anhalt das letzte Bundesland, bei dem die Lockerung bislang nicht geplant ist. Die Grünen-Fraktion im Magdeburger Landtag  hat aber bereits einen Antrag zur Überarbeitung des Bestattungsgesetzes vorgelegt. „Die Sargpflicht ist traditionell gewachsen und Teil unserer christlichen Tradition. Sie formulierte eine Selbstverständlichkeit von Moral- und Kulturverständnis der damaligen Zeit. Im Sachsen-Anhalt des 21. Jahrhunderts ist sie nichts weniger als eine überholte Regelung, die andere Kulturen und Religionen ausschließt. Wir wollen die Möglichkeit für mehr Vielfalt geben“, so die sozialpolitische Sprecherin der Grünen in Sachsen-Anhalt, Cornelia Lüddemann. Man wird sehen, wie es nach den Landtagswahlen weitergeht.

 

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