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Leitartikel: Das hohle C der Merkel-Union

Von Martin Lohmann

Es ist eine längst überfällige Frage: Bestimmen christdemokratische Politiker Themen und Debatten, oder laufen sie selbigen eher profillos hinterher? Jetzt, da sich auch die CDU-Chefin vor der sogenannten Ehe für alle verneigt, darf man doch endlich einmal wissen wollen: Wo könnten denn originäre Gestaltungskraft und Themenkompetenz einer Partei schlummern, die – wenigstens theoretisch – das christliche Menschenbild und die Naturrechtsweite als Sprungbrett dynamischer Handlungsinitiative hat?

Wer in diesen Zeiten notieren wollte, wo aus solcher Kraft Erkenntnisprozesse in Gang gesetzt wurden, wird faktisch vor einem ziemlich leeren Blatt sitzen bleiben. Wer hingegen aufschreiben würde, wo ausgerechnet die mit dem C begabten Politiker – bisweilen nach einigem manche Kreise beruhigenden temporären Zögern und Zaudern – anderen Gesellschaftsbildern willenlos hinterher getrottet sind, wird mit einem ganzen Block nicht auskommen. Aufgehalten haben die Unionschristen in den vergangenen Jahren jedenfalls nichts, wozu sie freilich die Kompetenz hätten haben müssen, um Fehlentwicklungen wirklich als Fehlentwicklungen zu erkennen, zu markieren und zu entlarven.

Ob Lebensschutz, der unter einem christdemokratischen Kanzler auf dem Altar der Deutschen Einheit geopfert wurde und von seinem „Mädchen“ nicht wirklich korrigierend betrieben wird, ob Präimplantationsdiagnostik, Stammzellenforschung und (verweigerte) Stärkung der Mütter, wo der jeweilige Zeitgeist leichte Ansätze von Mut und Weitsicht stets kraftvoll wegzupusten vermag – die Unionsparteien waren allenfalls verbal placebotechnisch zur Stelle. Jeweils kurz. Ein klares und gegebenenfalls eckiges Profil versagte man sich.

Wer später einmal festzustellen hat, wer denn Ehe und Familie nicht zu schützen in der Lage war, als diese beiden Institutionen der oft mit süßem Nebel getarnten Attacke fahrlässig überlassen wurden, wird kaum entlastende Elemente bei jenen finden können, die das C im Namen der Partei vor sich hertragen. Im Gegenteil. Überall liefen sie anderen hinterher: schleichende familiäre Kindesenteignung durch Ganztagsschulen und Kitas, Verunmöglichung genuiner Erziehungsrechte, unterlassene Stärkung familiärer Autonomie und Unabhängigkeit, Naturrechtsleugnung, Missachtung der Ökologie des Menschen. Woran das liegen könnte? Vielleicht daran, dass Angst vor dem Anstoßen und elementare Wissens- und Überzeugungslücken eine fatale Koalition der Nichtigkeit eingegangen sind. Vielleicht auch, weil „Konservativen“ jene strategische Begabung abgeht, die eine reaktionäre 68er-Diktatur bis in logistische Details beherrschte. Das C in der Politik ist hohl. Hinter der Hülle verbirgt sich alles, was Nicht- und Antichristen (auch) unterschreiben könnten.

Mit Merkels überraschungsresistenter Bekenntniswende ist nun auch besiegelt, woran andere zäh und systematisch arbeiteten: das Ende der staatlich geschützten Ehe. Nun kann alles, was irgendwie eine Beziehung ist, beanspruchen, Ehe – eben für alle! – sein zu wollen. Das dem Anspruch beraubte C wurde missbraucht, politikuntauglich gemacht. Was aber, wenn das Salz schal gemacht wurde? Das ist die eigentliche Gewissensfrage.

Foto: DT | Martin Lohmann
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