Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen hat die Einigung kritisiert, die der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem britischen Premierminister Boris Johnson und Frankreichs Präsidenten Emanuel Macron erzielt hat. Bei einer Videokonferenz hatten sich die europäischen Regierungen bereiterklärt, der Türkei zusätzliches Geld zur Verfügung zu stellen. Man habe man sich klar zu dem Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei bekannt, sagte die Bundeskanzlerin. Der Flüchtlingspakt von 2016 sieht vor, dass Ankara gegen illegale Migration vorgeht. Erdogan hatte der EU aber vorgeworfen, sie habe nicht wie versprochen sechs Milliarden Euro für die 3,6 Millionen in der Türkei lebenden Flüchtlinge überwiesen.
"Erdogans Vorgehen in Nordsyrien und die
humanitäre Katastrophe, die er dort mitverursacht,
haben die europäischen Staaten wieder nicht verurteilt"
Kamal Sido, Nahostexperte der GfbV
„Erdogans Vorgehen in Nordsyrien und die humanitäre Katastrophe, die er dort mitverursacht, haben die europäischen Staaten wieder nicht verurteilt“, kritisierte Kamal Sido, Nahostexperte der GfbV. „Sein offensichtlicher Versuch, die Not der Geflüchteten zu missbrauchen und Europa zu erpressen, ist geglückt: Europa zahlt und schweigt.“ Gegenüber der „Tagespost“ sagte er weiter: „Trotz unserer momentanen Sorgen wegen der Corona-Pandemie müssen wir die Lage der Minderheiten in Syrien im Blick behalten. Denn Erdogan ist ein unberechenbarer Autokrat, der sich kaum an Abmachungen hält.“
Kritik auch an Plänen einer „Schutzzone“
Kritik gibt es auch an Plänen einer „Schutzzone“, die der türkische Präsident in den ehemals kurdischen Gebieten Nordsyriens verfolgt. „Erdogan möchte in Nordsyrien eine Million syrischer Geflüchteter auch gegen ihren Willen ansiedeln“, erklärte Kamal Sido. „Die türkische Besatzungsarmee und von ihr unterstützte radikalislamistische Milizen haben die kurdische, christliche und yezidische Bevölkerung Nordsyriens systematisch terrorisiert.“ Aus Angst um ihr Leben hätten viele ihre historische Heimat verlassen. Nach Recherchen der GfbV sind etwa 1,5 Millionen Menschen auf der Flucht.
DT/chp
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