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Wir müssen mehr über die antisemitischen Täter wissen

Die Zahl antisemitischer Straftaten ist 2019 um 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.
Gegen jeden Antisemitismus
Foto: Christoph Soeder (dpa) | Berlin: "Gegen jeden Antisemitismus" steht bei einer Solidaritätskundgebung anlässlich des Attentats in Halle (Saale) an der Neuen Synagoge Berlin auf einem großen Banner.

Die Zahl schreckt auf, doch der Bericht ist Routine: Um 13 Prozent sind die antisemitischen Straftaten im Jahr 2019 im Vergleich zu 2018 angestiegen. Das geht aus dem Bericht zur Politischen Kriminalität hervor, den heute das Bundesinnenministerium vorlegen wird. Über die Zahlen zum Bereich Antisemitismus hatte die "Welt am Sonntag" bereits im Vorfeld berichtet. Der Bericht erscheint Jahr um Jahr. Besondere Aufmerksamkeit gilt stets den Zahlen, die den Antisemitismus betreffen. In diesem Jahr, wenige Monate nach dem Anschlag in Halle, ist die Sensibilität besonders hoch. Zumindest an dem Tag, an dem die Zahlen bekannt gegeben werden. Aber die Reaktionen auf den Bericht dürfen nicht zum Ritual werden, sie müssen tatsächlich politische Folgen haben. Das heißt: Der Opferschutz muss sich verbessern. 

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Der Opferschutz muss sich verbessern

In der Vergangenheit hatten Experten immer wieder beklagt, dass die Kategorien, in denen die Fälle statistisch erfasst werden, nicht der eigentlichen Motivation der Täter gerecht würden. Besonders bei Tätern mit islamistischem Hintergrund wurde eine stärkere Differenzierung gewünscht. Ein Beispiel: Wenn etwa eine Schmiererei den Davidstern, der ja Bestandteil der Flagge Israels ist, schändet , ist dies dann in erster Linie als eine politische Aktion zu werten oder spielen hier eben nicht auch vielleicht religiös-geprägte Vorurteile eine Rolle? Ein anderes Beispiel: Wenn an eine Synagoge ein Hakenkreuz gesprüht wird, dann wird dies in der Regel einem Täter mit rechtsextremistischem Hintergrund zugeschrieben. Aber auch hier wäre durchaus auch ein islamistischer Hintergrund denkbar.

Eines ist natürlich klar: Täter werden auch in Zukunft keine Visitenkarten hinterlassen. Das zeigt aber: Die statistische Erfassung allein ist nicht ausreichend, um der Komplexität des Phänomens Antisemitismus gerecht zu werden. Trotzdem kann man auch nicht auf diese Daten verzichten. Sie liefern bei aller Unzulänglichkeit natürlich auch schon jetzt wichtige Informationen über die Täter. Nur dürfen die Anstrengungen der Behörden hier eben nicht enden. Die Methoden, die komplexen Zusammenhänge besser erfassen zu können, müssen stetig weiter entwickelt werden. Der aktuelle Bericht muss nun genau im Hinblick auf diese Fragen hin gelesen werden. Wo besteht weiterer Differenzierungsbedarf?

Juden müssen sich in Deutschland sicher fühlen

In den letzten Jahren ist ohne Zweifel viel in die Präventionsarbeit investiert worden. Fast jedes Bundesland verfügt mittlerweile über einen Landesbeauftragten gegen Antisemitismus,die Bundesregierung ebenfalls. Das sind alles wichtige Zeichen. Aber entscheidend ist, dass Juden sich in Deutschland sicher fühlen. Je mehr wir über Täter wissen, um so besser können wir potentielle Opfer schützen.

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Sebastian Sasse Antisemitismus Bundesministerium des Innern

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