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Recht, Gesetz und Glaube

Die nominierte Richterin für den Supreme Court, Amy Coney Barrett, ist praktizierende Katholikin – Was bedeutet das für die Rechtsprechung?
Amy Coney Barrett, nominierte Richterin für den Supreme Court
Foto: Alex Brandon (AP)

Ihre Gegner sagen, ihr Glaube werde ihre Rechtsprechung bestimmen. Und ihre Sympathisanten hoffen genau das. Sie selbst aber sagt, das Gesetz ist für Richter die Richtschnur, nicht der Glaube. Amy Coney Barrett wird schon kurz nach dem Wahltag zeigen müssen, wer Recht hat. Denn im November steht ein Urteil des Supreme Court, des Obersten Gerichts der USA, über die Gesundheitsreform des früheren Präsidenten Obama an. Für die Vakanz an diesem Gericht hat Präsident Trump sie ernannt, der Senat wird noch vor der Wahl darüber abstimmen und so wie es aussieht (die Republikaner haben eine Mehrheit von 53 der 100 Sitze), wird sie die Abstimmung überstehen und im Supreme Court dann ein Verhältnis von 6 zu 3 für die Konservativen bestehen. Damit kann man Geschichte schreiben – in der Abtreibungsfrage, in der Gesellschafts- und in der Gesundheitspolitik.

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Sie wird nach dem Gesetz des Lebens urteilen

Recht strukturiert Gesellschaft. Gesetze schaffen Recht. Aber es ist der Geist, der Gesetze schafft. Ihre katholische Prägung wird sie bei manchen Gesetzen abwägen lassen, bei anderen nicht. Rechtssicherheit ist für sie eine ernste Größe. Wenn es aber um das fundamentale Recht, das Recht auf Leben geht, wird die Mutter von fünf eigenen und zwei adoptierten Kindern nach dem Gesetz des Lebens und dem Recht der Natur urteilen. Dazu sagt die Verfassung nichts, es war im achtzehnten Jahrhundert kein Thema. Barrett gilt als „Originalistin“, also jener Denkschule folgend, die den Geist der Verfassung von 1787 auslegt. Sie sieht sich und das Gericht als Notar dieser Verfassung, nicht als Treiber von Zeitgeistströmungen (wie das in Deutschland derzeit der Fall ist). Das macht sie für den aktuellen linksliberalen Zeitgeist zum „Gottseibeiuns“, zum Gespenst der Vergangenheit.

Der National Review schrieb ebenso erstaunt wie klammheimlich begeistert: „Sie redet so selbstverständlich von Gott als ob sie tatsächlich an ihn glaubt“. Das ist für viele, auch funktionskatholische Europäer in ihren lauen Lebenslagen befremdlich, für viele Amerikaner aber alltäglich. Amy Coney Barrett wird dazu beitragen, dass das Naturrecht in Amerika wieder mehr Geltung erlangt.

Die Wahl könnte vor dem Supreme Court landen

Und Trump? Sein Kalkül ist, dass der Oberste Gerichtshof vielleicht über seine Wiederwahl entscheiden muss, wie im Jahr 2000 über die Wahl von George Bush und dann würden die drei von ihm ernannten Richter ihm ihre Dankbarkeit erweisen. Aber er könnte sich täuschen. Barretts Berufung in den Supreme Court wird manche katholische und evangelikale Wähler erfreuen – und demobilisieren. Sie könnten denken: Der blonde Mohr hat seine Schuldigkeit getan. Er kann jetzt gehen. Dankbar sollte man ihm bei aller Clownhaftigkeit dennoch sein. Er hat das Thema Lebensschutz und Glauben wieder ganz oben auf die politische Agenda gesetzt.

Weitere Hintergründe zu Trumps Supreme-Court-Nominierung und der Bedeutung für das (gesellschafts-)politische Geschehen in den USA erfahren Sie in der kommenden Ausgabe der Tagespost.

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Jürgen Liminski Barack Obama Donald Trump George Bush Glaube Katholikinnen und Katholiken

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