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Kommentar um "5 vor 12": Nur gut gemeint

Darum ist der Gesetzentwurf von vier Professoren zur Regelung des ärztlich assistierten Suizids gefährlicher als er auf den ersten Blick aussieht.
Debatte um Sterbehilfe
Foto: Jens Kalaene (dpa-Zentralbild) | Der Aufwand, den die Ärzte nach Ansicht der vier Professoren betreiben sollen, um die Freiwilligkeit, Ernsthaftigkeit und Beständigkeit eines Suizidwunsches zu prüfen, wird dazu führen, dass der ärztliche assistierte ...

Man darf den vier Hochschullehrern durchaus abnehmen, mit ihrem Anfang der Woche in Münchner Presseclub vorgestellten „verfassungskonformen Gesetzesvorschlag zur Regelung des assistierten Suizids“ nicht-freiverantwortliche Suizide verhindern zu wollen. Und auf den ersten Blick spricht tatsächlich einiges dafür, dass Ärzte bei der Prüfung der „Freiwilligkeit, Ernsthaftigkeit und Beständigkeit“ eines Suizidwunsches, psychische Erkrankungen wie Depressionen erkennen und die Betroffenen für eine Therapie gewinnen könnten. Was im Einzelfall gelingen mag, ist auf Ganze gesehen, jedoch eine Illusion.

Suizidassistenz als Kassenleistung

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Denn die Realität ist eine andere. Nicht nur, dass viele Ärzte – Stichwort Wunschmedizin – Patienten immer häufiger nur als bloße „Kunden“ betrachten, deren Wünsche es zu erfüllen gelte. Auch zeigen Länder, die auf jahrzehntelange Erfahrung mit der assistierten Selbsttötung vorweisen können, dass die Zahl der ärztlich assistierten Suizide steigt, sobald diese gesetzlich geregelt werden. Hinzu kommt: In den Beneluxländern etwa wurden viele der anfangs aufgestellten Regeln längst liberalisiert, zum Teil sogar mehrfach.

Warum den vergleichsweisen hohen Hürden, die der Gesetzentwurf der vier Hochschullehrer vorsieht, ein ähnliches Schicksal erspart bleiben soll, ist nicht einsichtig. Damit nicht genug. Der Aufwand, den die Ärzte nach Ansicht der vier Professoren betreiben sollen, um die Freiwilligkeit, Ernsthaftigkeit und Beständigkeit eines Suizidwunsches zu prüfen, wird dazu führen, dass der ärztliche assistierte Suizid zu einer Kassenleistung wird, die mancherlei Begehrlichkeiten wecken wird. Haben sich die Menschen erst einmal daran gewöhnt, dass Ärzte zu Technikern des Todes mutieren, die ihnen beim Suizid zur Hand gehen, werden die Stimmen lauter werden, die die Verfahren vereinfachen und die Kompetenzen der Ärzte ausdehnen wollen.

Eine weitere Illusion

Dass auf diese Weise der Ruf nach der „Tötung auf Verlangen“, bei der – juristisch betrachtet – die Tatherrschaft beim Arzt statt beim Suizidenten liegt, zum Verstummen gebracht werden könne, ist eine weitere Illusion. Professoren mögen sich ihr im geschützten Raum des Seminars hingegeben dürfen. Ein verantwortlicher Gesetzgeber darf das nicht.

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Stefan Rehder Tötung auf Verlangen

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