Nicht die Freiheit bedarf der Rechtfertigung, sondern jede Einschränkung von Freiheiten. Entsprechend gilt im vereinten Europa: Nicht das freie Reisen über nationale Grenzen hinweg bedarf einer Begründung, sondern jede Einschränkung der Bewegungsfreiheit.
Zeitweise begründet
Das Unberechenbare der Corona-Pandemie war eine solche Begründung und Rechtfertigung. Angesichts der rasanten weltweiten Ausbreitung eines Virus, gegen das es weder Medikamente noch Impfungen gibt, angesichts mittlerweile hunderttausender Toter und teilweise wankender Gesundheitssysteme waren die Einschränkungen im März begründet und gerechtfertigt.
Wachsam bleiben
Heute sind in vielen Ländern Europas die Infektionszahlen noch so hoch, dass Wachsamkeit und Vorsicht weiter gerechtfertigt sind, aber schon so niedrig, dass die vor zwei Monaten getroffenen Maßnahmen unverhältnismäßig erscheinen. Die Schließung nationaler Grenzen in Europa ist angesichts der erreichten Eindämmung der Corona-Ausbreitung nicht länger angemessen. Im Gegenteil: Die Grenzschließungen richten riesigen Schaden an – wirtschaftlich, sozial, menschlich.
Zielgenau begrenzen
Die EU-Kommission, die im März zumindest den freien Warenverkehr in der EU erzwang, weiß das. Sie drängt auf eine Öffnung der Binnengrenzen und hält die EU-Außengrenzen weiter geschlossen. Die meisten nationalen Regierungen wissen es auch: Es ist absurd, wenn ein Bayer von München nach Kiel reisen darf, aber nicht nach Salzburg. Wenn die Regierenden ihre Akzeptanz in der Bevölkerung nicht verspielen wollen, müssen sie Freiheitsbeschränkungen angemessen und zielgenau setzen. Regionale Corona-Hotspots sollten beobachtet und nötigenfalls isoliert werden, während die Reise- und Bewegungsfreiheit endlich wieder Normalität sein muss.
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