Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Beirut

Kommentar um "5 vor 12": Europa muss den Libanon stabilisieren

Der konfessionelle Proporz schafft Probleme, doch bringt seine Überwindung noch keine Lösung der Krise – Ausländische Akteure destabilisieren das Land an der Levante.
Wie geht es weiter mit dem Libanon
Foto: Karim Daher via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mahnte in Beirut die libanesische Politik zu Reformen und einem Ende der ortsüblichen Korruption.

Seinen 100. Geburtstag begeht der Libanon inmitten seiner dramatischsten wirtschaftlichen und politischen Krise seit dem Ende des 15-jährigen Bürgerkriegs im Jahr 1990. Hundert Jahre nachdem der französische General Henri Gouraud (im Rahmen des französischen Völkerbundmandates für Syrien und den Libanon) am 1. September 1920 den Staat Großlibanon proklamierte, mahnte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Beirut die libanesische Politik zu Reformen und einem Ende der ortsüblichen Korruption.

Welche Reformen sind am dringendsten?

Lesen Sie auch:

Doch welche Reformen sollen es sein? Das konfessionelle Proporzsystem, dessen Überwindung der libanesische Präsident Michel Aoun jetzt vehement fordert, hatte von Anfang an den Sinn, die konfessionellen Entitäten zu schützen. Anders als vor dem Bürgerkrieg stellen die Christen im Libanon heute nicht mehr die Mehrheit, sondern nur rund ein Drittel der Einwohner. Die Überwindung des konfessionellen Proporzes und seiner Schutzmechanismen könnte bedeuten, dass die Christen immer dann überstimmt werden, wenn Sunniten und Schiiten sich finden.

Dazu kommt, dass die Krise des Libanon keineswegs nur hausgemacht ist: Die schiitische Hizbollah nutzt das kleine, fragile Land seit langem als Basis für seine militärischen und politischen Pläne – und für die des Iran. Saudi-Arabien wiederum nimmt Einfluss auf sunnitische Kreise im Libanon. Wie einst die massenhafte Einwanderung der Palästinenser, hat seit 2011 die Massenimmigration syrischer Flüchtlinge das Land ökonomisch und gesellschaftlich destabilisiert.

Gesamteuropäische Verantwortung

Nicht nur die einstige Mandatsmacht Frankreich, sondern ganz Europa hat eine Verantwortung für den Libanon. Mit wirtschaftlicher Hilfe alleine ist das sechs Millionen Einwohner zählende Land an der Levante jedoch nicht zu retten. Das vereinte Europa muss seinen Reformprozess inspirieren und aktiv begleiten. Die vom maronitischen Patriarchen Bechara Rai geforderte Durchsetzung eines staatlichen Waffen-Monopols könnte dabei ein erster Schritt sein.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Stephan Baier

Kirche

Eine Tagung in Stift Heiligenkreuz mit Erzbischof Georg Gänswein und Kardinal Kurt Koch befasste sich mit der Relevanz des Priestertums heute. 
18.04.2024, 13 Uhr
Leander Lott