Das nennt man ein Eigentor. Der türkische Diktator Erdogan hat mit seinen persönlichen Beleidigungen und Hetzreden gegen den französischen Staatschef die Grande Nation zu einer selten erlebten Solidarität hinter Emmanuel Macron veranlasst. Anlass war für den Muslimbruder Erdogan die Politik der Härte, die Macron nach dem Mord des Geschichtslehrers Samuel Paty durch einen Islamisten seit zehn Tagen gegen den radikalen Islam in Frankreich führt. Der Mord hat die Franzosen aufgewühlt und nun steht Frankreich von der Nationalen Sammlungsbewegung Le Pens bis hin zu der Kommunistischen Partei wie ein Mann zu Macrons Islam-Politik. Selbst der Präsident des Französischen Rats muslimischen Kults, Mohammed Moussaoui, rief seine Glaubensbrüder dazu auf, die „Interessen Frankreichs zu verteidigen“. „Die muslimischen Bürger werden hier nicht verfolgt, sie bauen frei ihre Moscheen und praktizieren hier frei ihren Glauben“.
Arroganz und religiöse Überheblichkeit
Eine solche politische Einheit und Zustimmung im Land der Häuptlingskämpfe ist eigentlich nur verstorbenen Staatsmännern wie Charles de Gaulle vorbehalten. Das muss man erstmal schaffen. Einzig der linksextreme Asterix, Jean Luc Melenchon, verweigert sich dieser Einheitsfront und zeigt damit seine Nähe zum Islamismus. Er dürfte an Popularität noch mehr verlieren und bald keine Rolle mehr spielen.
Beigetragen zu der seltenen Solidarität hat nicht nur die arrogante Art Erdogans und die religiöse Überheblichkeit, mit der er dem Islam weltweit schadet. Sein Aufruf, französische Waren zu boykottieren, läuft ziemlich ins Leere. Der Lebensmittel-Export Frankreichs in den Nahen und Mittleren Osten beläuft sich auf 2,7 Prozent des gesamten Exportvolumens an landwirtschaftlichen und Nahrungsmittelgütern. Betroffen ist vor allem die Käsesorte Kiri und Babybel, eine von 264 anerkannten. Über den Weinexport in die islamischen Länder gibt es kaum haltbare oder nachprüfbare Zahlen.
Franzosen erwarten tätige Solidarität
Dennoch ist der diplomatische Streit ernst zu nehmen. Gerade die große Einheit hinter Macron müsste auch die Partner Frankreichs in der EU, allen voran Deutschland, zu stärkeren Maßnahmen drängen. Es ist nicht mehr die Zeit der hohlen Drohungen und Worte. Die Franzosen erwarten jetzt eine tätige Solidarität, sprich Sanktionen und den endgültigen Abbruch der EU-Verhandlungen mit Ankara. Kommt da nichts, kann die Einheit auch gegen Europa umschlagen – und gegen Berlin. Das wäre dann ein Eigentor der Europäer.
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