Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kommentar um "5 vor 12"

Der Diktator fürchtet die Kirche

In der Abenddämmerung seiner Herrschaft hat Lukaschenko offenbar Angst vor einem Erzbischof, der die Würde des Menschen predigt.
Lukaschenko und Putin
Foto: Russian Presidential Press and I via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Der belarusische Machthaber Aleksandr Lukaschenko hat sein politisches Überleben ganz in die Hände des russischen Präsidenten gelegt.

Jetzt geht es für Aleksandr Lukaschenko nur mehr um den puren Machterhalt. Lange hat er seinen Spielraum in Belarus durch ein Lavieren und Taktieren zwischen Brüssel und Moskau – zwischen Europas Hoffnung auf Veränderung und Putins Streben nach Dominanz – gesichert. Jetzt hat er sein politisches Überleben ganz in die Hände des russischen Präsidenten gelegt.

Lesen Sie auch:

Lukaschenko ist die Kontrolle über die Straße entglitten

Fünf Wochen nach der umstrittenen Präsidentenwahl in Belarus ist dem Diktator die Kontrolle über die Straße entglitten. In der Panik des Überlebenskampfes neigen Tyrannen noch stärker als sonst zur Maßlosigkeit. Daher die exzessive Gewalt, mit der Lukaschenkos uniformierte Schläger auf den Straßen von Minsk gegen Demonstranten vorgehen.

Auch die katholische Kirche, zu der sich zehn Prozent der Einwohner von Belarus bekennen, ist ins Fadenkreuz der Diktatur geraten: Am 31. August verweigerten die Grenzbehörden dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz und Erzbischof von Minsk, Tadeusz Kondrusiewicz, die Rückkehr in seine Heimat. Wer hoffte, das sei reine Schikane oder gar ein Missverständnis subalterner Beamter gewesen, wird jetzt eines Schlechteren belehrt: Das Innenministerium in Minsk erklärte den Reisepass des belarussischen Erzbischofs für ungültig.

Der Diktator sieht die Kirche als Feind

Politisch hat sich die katholische Kirche in Belarus stets diplomatisch zurückgehalten. Im Wanken seiner Macht hat der Diktator sie dennoch als gefährlichen Feind seiner Tyrannei identifiziert. Kein Wunder: Die Kirche lehrt die Größe Gottes und die Würde des Menschen – da wird alles andere relativ: die Eitelkeit eines Alleinherrschers, der nicht von der Macht lassen kann, aber auch die Angst der Menschen, die seine Diktatur ermöglichte.

Lesen Sie ein Porträt des Minsker Erzbischofs Kondrusiewicz in der kommenden Ausgabe der Tagespost.

Themen & Autoren
Stephan Baier Bischofskonferenz Erzbischöfe Wladimir Wladimirowitsch Putin

Weitere Artikel

Reinhard Kardinal Marx denkt an einen Internationalen Friedensbund der Katholiken. In der Krise steckt auch eine Chance.
16.02.2024, 09 Uhr
Regina Einig
Wenn der Staat Schüler auf Kriegszeiten vorbereiten will, kann die Kirche nicht abseits stehen.
22.03.2024, 09 Uhr
Regina Einig

Kirche

Eine Tagung in Stift Heiligenkreuz mit Erzbischof Georg Gänswein und Kardinal Kurt Koch befasste sich mit der Relevanz des Priestertums heute. 
18.04.2024, 13 Uhr
Leander Lott