Jetzt geht es für Aleksandr Lukaschenko nur mehr um den puren Machterhalt. Lange hat er seinen Spielraum in Belarus durch ein Lavieren und Taktieren zwischen Brüssel und Moskau – zwischen Europas Hoffnung auf Veränderung und Putins Streben nach Dominanz – gesichert. Jetzt hat er sein politisches Überleben ganz in die Hände des russischen Präsidenten gelegt.
Lukaschenko ist die Kontrolle über die Straße entglitten
Fünf Wochen nach der umstrittenen Präsidentenwahl in Belarus ist dem Diktator die Kontrolle über die Straße entglitten. In der Panik des Überlebenskampfes neigen Tyrannen noch stärker als sonst zur Maßlosigkeit. Daher die exzessive Gewalt, mit der Lukaschenkos uniformierte Schläger auf den Straßen von Minsk gegen Demonstranten vorgehen.
Auch die katholische Kirche, zu der sich zehn Prozent der Einwohner von Belarus bekennen, ist ins Fadenkreuz der Diktatur geraten: Am 31. August verweigerten die Grenzbehörden dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz und Erzbischof von Minsk, Tadeusz Kondrusiewicz, die Rückkehr in seine Heimat. Wer hoffte, das sei reine Schikane oder gar ein Missverständnis subalterner Beamter gewesen, wird jetzt eines Schlechteren belehrt: Das Innenministerium in Minsk erklärte den Reisepass des belarussischen Erzbischofs für ungültig.
Der Diktator sieht die Kirche als Feind
Politisch hat sich die katholische Kirche in Belarus stets diplomatisch zurückgehalten. Im Wanken seiner Macht hat der Diktator sie dennoch als gefährlichen Feind seiner Tyrannei identifiziert. Kein Wunder: Die Kirche lehrt die Größe Gottes und die Würde des Menschen – da wird alles andere relativ: die Eitelkeit eines Alleinherrschers, der nicht von der Macht lassen kann, aber auch die Angst der Menschen, die seine Diktatur ermöglichte.
Lesen Sie ein Porträt des Minsker Erzbischofs Kondrusiewicz in der kommenden Ausgabe der Tagespost.